Corona-Gipfel bei „Maischberger“ „Wir wollen keine fünfte Merkel-Amtszeit, das ist die Nachricht des Tages“

Düsseldorf · Bei Sandra Maischberger in der ARD diskutieren Journalisten und Politiker die Lockerungen in der Corona-Krise. Schnell stellt sich die Frage: Wenn das Machtspiel der Länderchefs Söder und Laschet schief geht - steht dann am Ende doch wieder Merkel als Kanzlerin bereit?

 Sandra Maischberger in der Diskussion mit Christian Lindner und Karl Lauterbach.

Sandra Maischberger in der Diskussion mit Christian Lindner und Karl Lauterbach.

Foto: Foto: Screenshot ARD

Darum ging’s

„Der Tag, an dem der Schalter umgelegt wurde“, so leitete Sandra Maischberger die Gesprächsrunde am Mittwochabend ein. Gerade hatten sich die Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel darauf geeinigt, dass künftig jedes der 16 Länder für sich über weitere Maßnahmen gegen das Coronavirus entscheidet - ohne weitere Absprachen mit dem Bund.

Schon ab Donnerstag wird eine Vielzahl an Lockerungen gelten, je nach Bundesland mehr oder weniger ausgeprägt. Eine gute Entscheidung, um die Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben wieder zu beleben? Oder kommen die Signale der Entspannung viel zu früh? Der Bundeswirtschaftsminister (CDU), zwei Bundestagsabgeordnete (SPD und FDP) sowie drei Journalisten bezogen Stellung.

Darum ging’s wirklich

Verliert Angela Merkel mit dem Vorgehen der Länderchefs - allen voran von Armin Laschet und Markus Söder - an Macht oder geht sie am Ende sogar als Siegerin hervor?

„Die anderen haben sich heute in allen Punkten durchgesetzt“, stellte Eva Quadbeck, stellvertretende Chefredakteurin der Rheinischen Post, mit Blick auf die Entscheidungen des Tages fest. Die Kanzlerin habe für weitaus strengere Regeln und mehr Einschränkungen geworben, am Ende aber setzten sich die Regierungschefs der Länder durch, die ohnehin in den allermeisten Themen wie Bildung, Gastronomie, Ladenöffnungen über die Entscheidungshoheit verfügen.

Für den Journalisten Gabor Steingart machten die Ministerpräsidenten an diesem Mittwoch deutlich: „Wir wollen keine fünfte Amtszeit von Angela Merkel. Das ist die Nachricht des Tages.“

Die Kanzlerin, bislang stets Mahnerin und Gegnerin weitreichender Lockerungen, musste letztlich feststellen: Im Föderalismus ist ihre Macht an diesem Punkt begrenzt. Oder wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagte: „Es kann keine Kanzlerin in diesem Land einfach Entscheidungen treffen, wo sie überhaupt nichts zu sagen hat.“

Merkel blieb also nichts anderes übrig, als die Entscheidungen als „mutig“ zu verkaufen. Währenddessen stellten sich die Landeschefs hin und verkündeten die Rücknahme jener Einschränkungen, die Merkel im April befürwortet und verteidigt hatte.

Maischberger selbst brachte es so auf den Punkt: „Die Kanzlerin hat mit dem Shutdown dafür gesorgt, dass die Zahlen so positiv sind, dass jetzt Lockerungen möglich sind. Den Applaus dafür sammeln die Ministerpräsidenten ein.“ Das Schmunzeln im Gesicht von Altmaier verriet, dass er der ARD-Moderatorin in dieser Einschätzung zustimmt.

Und: Dass im Fall einer zweiten Welle gar Merkel als große Siegerin aus dem Machtkampf der Länderchefs hervorgehen könnte, auch darin war sich die Runde weitestgehend einig. „Das Versprechen von damals, nicht mehr zu kandidieren, ist gefühlt hundert Jahre her“, sagte auch Steingart.

Frontverlauf

Echte Fronten entstanden vor allem im letzten Drittel der Sendung. Dann nämlich, als der SPD-Gesundheitsweise Karl Lauterbach seinen Talkshow-Stammplatz einnahm, um gegen den TV-Stammtisch-Dauergast der FDP, Christian Lindner, anzutreten. Dazu gleich mehr.

Zuvor war es Maischberger, die den Wirtschaftsminister zwar mit klaren Fragen lockte und doch wenig klare Antworten bekam. Weder zur Lufthansa-Rettung, noch zu Steuererhöhungen und schon gar nicht über die Zukunft von Angela Merkel. Deutlich wurde an Altmaiers Formulierungen nur wieder: Im Hintergrund köchelt der Konflikt zwischen Bund und Ländern auch in der Corona-Krise vor sich hin. Mit den föderalen Vorgehensweisen der Länder-Regierungen, die aus verschiedenen Positionen heraus und mit individuellen Strategien der Krise begegnen wollen, kann Altmaier nicht allzu viel anfangen. Mindestens drei Mal erwähnt er dann auch, dass er mit dem Vorgehen der Länder „nicht glücklich“ gewesen sei, beispielsweise in Fragen der Lädenöffnungen oder der Kita-Betreuung. Wörtlich klang das dann so: „Ich fand es nicht so besonders glücklich, dass einzelne Bundesländer bei der Verkündung neuer Lockerungen völlig unkoordiniert vorgeprescht sind.“

Die Journalisten-Runde hingegen gab einen kleinen Vorgeschmack auf das, was Lauterbach und Lindner später ausführten: Steingart auf der einen Seite, der Lockerungen für „auch zeitlich richtig“ hält, weil die Aufregung um die Pandemie letztlich nur Teil „einer Apokalypse-Industrie“ sei. Und Eva Quadbeck auf der anderen Seite, der „schon seit Beginn des Lockdowns eine Exit-Strategie“ fehlt und die das Vorgehen der Länder so beschrieb: „Jeder macht einfach, was er will.“

Am Rand saß währenddessen Johannes B. Kerner, der als genesener Corona-Patient seine Anwesenheit rechtfertigen konnte – und als unkontroverser Ruhepol der Runde. Denn niemand konnte ihm widersprechen, als Kerner feststellte: „Händewaschen schadet weiterhin nicht.“

Zurück also zu Lauterbach vs. Lindner. Zwei Politiker aus zwei völlig verschiedenen Lagern, die dieser Tage scheinbar in den Studios der TV-Sendeanstalten übernachten, um auch ja keine Gelegenheit zu verpassen, ihre Meinung zu äußern. Nun also auch bei Sandra Maischberger, die in den letzten 20 Minuten ihrer Sendung alle Hände voll damit zu tun hatte, überhaupt noch zu Wort zu kommen, während sich Lindner und Lauterbach Zahlen, Behauptungen und Positionen um die Ohren hauten. Während für Lindner die Lockerungen „zwei Wochen zu spät“ kommen, ist der Mittwoch in Lautersbachs Geschichtsbuch als „gefährlicher Tag“ notiert.

Die kommenden Wochen werden zeigen, wer von beiden letztlich richtig liegt. Und sowohl Lindner als auch Lauterbach werden uns währenddessen sicherlich noch das ein oder andere Mal an ihre Meinung erinnern.

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