Conchita Wurst gewinnt ESC in Kopenhagen The Wiener Takes It All

KOPENHAGEN · "Was für ein geiles Lied. Heute hat eine Königin gewonnen." Frank Feiler und Matthias Müller sind auch rund zwei Stunden, nachdem Österreichs vollbärtige Dragqueen Conchita Wurst den Eurovision Song Contest (ESC) überragend gewonnen hat, völlig aus dem Häuschen.

Die beiden Kölner sind Vollblutfans des ESC und seit dem ersten Mai in Kopenhagen. Dass am Ende der Paradiesvogel aus der Alpenrepublik nach Udo Jürgens den Titel zum zweiten Mal nach Österreich holte, überrascht die beiden gar nicht. "Wir hatten Conchita schon sehr lange auf der Liste und haben an einen Sieg von ihr geglaubt", sagte Feiler am frühen Sonntagmorgen. Auf dem zweiten und dritten Platz landeten die Niederlande und Schweden.

"Diese Nacht ist allen gewidmet, die an die Zukunft von Frieden und Freiheit glauben", zeigte sich die Sängerin nach ihrem Sieg unter Tränen, aber äußerst selbstbewusst auf der Bühne. Zuvor hatte sie das gläserne Mikrofon als Trophäe ihres Erfolgs überreicht bekommen.

"Wir sind eine Einheit, und wir sind nicht aufzuhalten. Und wer das nicht akzeptiert, auf den können wir nicht warten", sagte Conchita Wurst mit einem unausgesprochenen, aber offenkundigen Gruß nach Russland. Dort hatte die Teilnahme des Travestie-Künstlers Tom Neuwirth mit seiner Kunstfigur hitzige Debatten ausgelöst. So kritisierten konservative Politiker und Kirchenkreise, dass eine Übertragung des ESC mit dem Transvestiten eine "eindeutige Propaganda für Homosexualität und geistliche Verderbnis" bedeute.

Und auch die aktuelle Krim-Krise rückte Russland beim ESC in ein schlechtes Licht. Das bekamen vor allem die Tolmatschewy-Schwestern zu spüren: Sie wurden gnadenlos ausgebuht. Und Deutschland? Das Mädeltrio Ela, Yvonne und Natalie von der Formation Elaiza konnte schon in den vergangenen Tagen kaum überzeugen. Buchmacher sahen sie auf einem der letzten Plätze, und auch in Kopenhagen interessierte sich kaum jemand für die deutschen Newcomer.

[kein Linktext vorhanden]"Ich sehe sie höchstens auf einem Platz zwischen zwölf und 15", hatte Frank Feiler am späten Sonntagnachmittag noch getippt. Am Ende sollten die Buchmacher Recht behalten: Mit nur 39 Punkten landete Elaiza auf einem enttäuschendem 18. Platz. Zum Vergleich: Siegerin Conchita Wurst sammelte in Europa stolze 290 Punkte ein.

"Das war absehbar", kommentierte Matthias Müller den Sieg der Österreicherin. Schon bei Veranstaltungen im Vorfeld des großen Finales habe die Dragqueen überzeugen können - im Gegensatz zu Elaiza. "Ihr Auftritt beispielsweise am deutschen Abend in der Botschaft war ziemlich langeilig. Die haben nur ihr Lied gespielt - und das war's dann auch schon", erzählte Frank Feiler, der zusammen mit seinem Freund bei den meisten Events, Proben und Pressekonferenzen in Kopenhagen dabei war. "Ich bin schon seit meiner Kindheit großer Fan des Song Contests", so Feiler.

Nach Düsseldorf und Malmö waren er und Müller nun beim dritten ESC dabei und haben sich mittlerweile zu echten Experten gemausert. Die beiden betreiben sogar einen eigenen Blog, in dem sie über den Grand Prix berichten. "Elaiza hätten vielleicht in einem anderen Jahr besser abgeschnitten", so Feiler. Doch in diesem Jahr sei das Mitbewerberfeld wirklich sehr stark gewesen.

An der Tatsache, dass es so schlecht lief, konnte auch die Überarbeitung des Bühnenbildes nichts ändern. Nur einen Tag vor dem Finale hatte man sich entschieden, auf die geplante Pantomimen-Einlage während des Auftritts zu verzichten und stattdessen mit neuen Lichteffekten und Luftschlangen zu punkten. Geholfen hat es nicht.

Überstrahlt wurden Elaiza und all' die anderen beeindruckend von Conchita Wurst, die mit ihrem Song "Rise Like A Phoenix" ("Wie Phönix aus der Asche auferstehen"), der locker als Titelmusik für den nächsten James-Bond-Film herhalten könnte, ganz Europa begeisterte. Ob sie sich denn vorstellen könnte, das nächste Bond-Girl zu werden, fragte ein Journalist bei der nächtlichen Pressekonferenz nach ihrem Sieg. "Was glauben Sie denn? Na-tür-lich!", war die spontane Antwort der Bartträgerin. Ob es dazu wirklich kommt, sei dahingestellt.

Doch als Moderatorin des nächsten Song Contests, der höchstwahrscheinlich am 16. Mai 2015 in Wien stattfinden wird, steht Conchita Wurst bereits so gut wie fest. Ihr Manager hatte die Sängerin, die dem deutschen Publikum unter anderem als Teilnehmerin der RTL-Trash-Show "Wild Girls" bekannt wurde, als Präsentatorin ins Gespräch gebracht. Zwei Fans werden dann mit Sicherheit auch dabei sein: Die Kölner Frank Feiler und Matthias Müller freuen sich schon jetzt auf den 60. ESC.

Conchita Wurst: Ein Mann geht ihren Weg

"Conchita" steht für "heiße Latina", "Wurst" ist ein anderes Wort für "egal". "Es ist mir Wurst" - egal, ob jemand schwul ist oder als Mann Frauenkleider trägt oder sonst wie aussieht, das ist das Credo der Kunstfigur und Grand-Prix-Gewinnerin Conchita Wurst aus Österreich, hinter der Tom (eigentlich Thomas) Neuwirth steckt.

Ein enges Kleid, eine Echthaarperücke und vor allem ein provozierender Bart sind sein - also ihr - Markenzeichen ("Da wird ein wenig mit schwarzem Lidschatten nachgeholfen"). Neuwirth, der am 6. November 1988 in Gmunden (Oberösterreich) geboren wurde und im 3000-Seelen-Ort Bad Mitterndorf in der Steiermark aufwuchs, hat schon in der Schule nach eigenen Worten Hänseleien ertragen müssen.

"Seitdem ich zwölf bin, ahnte ich, dass ich wohl auf Jungs stehe." Mit 14 Jahren ging er ins Internat nach Graz und besuchte die Modeschule. Anfang 2007 folgte ein zweiter Platz bei der ORF-Castingshow "Starmania", dann eine erfolglose Boyband, Gelegenheitsarbeiten, das Nachholen des Abiturs und der Abschluss der Ausbildung zum Modedesigner.

2011 gab er seiner Kunstfigur Conchita Wurst den letzten Schliff und machte erste Schlagzeilen bei der ORF-Talentshow "Die große Chance". Und nun? Ihre Träume sind recht konventionell, zum Beispiel eine Eigentumswohnung in Wien. Und eines Tages soll es der Grammy sein. (dpa)

34,7 Prozent Marktanteil

Der ESC hat beim deutschen Publikum die beste Quote seit Lenas zweitem Grand-Prix-Auftritt im Jahr 2011 erreicht. 8,96 Millionen schalteten am Samstag ab 21 Uhr das Finale in Kopenhagen ein. Das entspricht einem Marktanteil am Gesamtpublikum von 34,7 Prozent. Der Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen betrug 41,9 Prozent. (dpa)

Aufgelesen

"Vor 50 Jahren hat die sowjetische Armee Österreich besetzt, es freizugeben war ein Fehler, wir hätten dort bleiben sollen." Der nationalistische russische Abgeordnete Wladimir Schirinowski zum Sieg von Conchita Wurst beim ESC. (dpa)

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