Sting wird 65 Souveräner Musiker, kreativer Poet

Bonn · Von Wallsend bei Newcastle upon Tyne auf die großen Bühnen der Welt: Der britische Gitarrist, Pianist, Bassist und Sänger Sting wird 65 Jahre alt.

 „Entweder du bist der Beste, oder du bist es nicht“: Sting im März beim Java-Jazz-Festival in der indonesischen Hauptstadt Jakarta.

„Entweder du bist der Beste, oder du bist es nicht“: Sting im März beim Java-Jazz-Festival in der indonesischen Hauptstadt Jakarta.

Foto: picture alliance / dpa

Während seiner Schulzeit war Gordon Matthew Sumner ein begnadeter Sprinter. Auf 100 und 200 Metern hängte er jeden ab. Na, ja, fast jeden. In England gab es zwei Läufer, die noch ein bisschen schneller waren. Der junge Gordon sah jedoch keine Chance, auch an diesen beiden vorbeizuziehen, was ihn ziemlich frustrierte: „Entweder du bist der Beste, oder du bist es nicht“, beklagte er später seine Situation.

„Vor mir waren zwei Läufer, die besser waren als ich, und ich sah keine Möglichkeit, sie zu schlagen. Also gab ich das Laufen auf.“ Dieser Entschluss ist bezeichnend nicht nur für den am 2. Oktober vor 65 Jahren in nordenglischen Wallsend (einem Vorort von Newcastle upon Tyne) geborenen damaligen Schüler, sondern auch für den Herangewachsenen, der unter dem Namen Sting eine Weltkarriere machen sollte.

Der Sohn eines Milchmannes wusste früh, dass er aus der Enge der nordenglischen Provinz ausbrechen und seinen Platz in der Welt finden würde. Wenn ihm das im Sport nicht gelang, dann eben mit der Musik. Auch auf diesem Gebiet war er mit überdurchschnittlichem Talent gesegnet. Er lernte Klavier und Gitarre, entdeckte bald seine Vorliebe für den Bass. Während Sumner Anfang der 70er Jahre an der Saint Paul's First School in Cramlington, Newcastle, eine Weile als Englisch- und Sportlehrer sein Geld verdiente, spielte er gleichzeitig in drei Bands, die sich zwischen Jazzrock und traditionellem Jazz bewegten.

Dann erschütterte 1976 ein musikalisches Erdbeben die Pop- und Rockwelt Großbritanniens, ausgelöst durch den Punk der Sex Pistols. Es erfasste auch den ambitionierten Hobby-Musiker Sumner. In dieser Zeit lernte er den Schlagzeuger Stewart Copeland kennen, mit dem er die Band „The Police“ gründete. Wegen seiner schwarz-gelben Shirts, die er zu dieser Zeit trug, nannte man ihn „Sting“ (Stachel) – ein Name, der zur Marke wurde.

Als der ältere und erfahrene Gitarrist Andy Summers an die Tür klopfte, um mitzumachen, feuerten die beiden Ur-Polizisten ihren bisherigen Gitarristen und nahmen ihn mit offenen Armen auf. Unter Karriere-Gesichtspunkten keine schlechte Entscheidung: 1978 erlebte „The Police“ den Durchbruch mit dem Debüt-Album „Outlandos d’Amour“, auf dem Stücke wie „So Lonely“, „Roxanne“ und „Can’t Stand Losing You“ zu hören sind.

„The Police“ etablierten sich mit ihrer Musik als Antwort auf den Punk. „Police brachten den Reggae auf Touren“, schrieb Andreas Kilb einmal in der „Zeit“. Sie bedienten sich bei unterschiedlichsten Stilen, mischten Jazz und Rock-'n'-Roll-Elemente unter die aus Reggae und Ska bestehenden Grundzutaten. Und machten trotzdem extrem eingängige Musik, die meist von Sting stammenden Melodien waren echte Gassenhauer. Eine Melange, die als New Wave in die Pop-Geschichte einging.

Diese Gabe prägt auch Stings Solo-Projekte. Dabei mischt er nicht nur souverän musikalische Einflüsse, sondern ist als belesener Literaturfan selbst ein ungemein kreativer Poet. Den Titel seines im Herbst 1987 erschienenen zweiten Soloalbums „Nothing Like The Sun“ entlehnte er Shakespeares 130. Sonett, dessen Eröffnungszeile „My mistress’ eyes are nothing like the sun“ lautet. Stings Engagement für Menschenrechte und Naturschutz wurde zu der Zeit von vielen belächelt, aber so poetisch wie er hatten bislang nur wenige politische Themen in Pop verwandelt. Wer sich von „They Dance Alone“, bei dem es sich um eine Abrechnung mit dem chilenischen Pinochet-Regime handelt, musikalisch, textlich und atmosphärisch nicht berühren lässt, dem ist nicht zu helfen.

Sting holte für die Platte exquisite Musiker ins Studio. Was wäre „Englishman in New York“ ohne Branford Marsalis' Saxophon und Manu Katchés Schlagzeug? Anfang der 90er stieß noch Gitarrist Dominic Miller dazu. Mit „Nothing Like The Sun“ war Sting auch als Sänger gereift, hatte die metallische Police-Härte zugunsten lyrischerer Farben abgestreift. Später, 2006, sollte er sich sogar als Interpret von Lautenliedern John Dowlands, eines Komponisten der elisabethanischen Epoche, versuchen.

Seit 13 Jahren ist es um den Pop-Magier Sting ruhiger geworden. Nach „Sacred Love“ (2003) hat er kein eigenständiges Album mehr veröffentlicht, lediglich diverse Projekte, neben den Dowland-Songs unter anderem das Musical „The Last Ship“. Die Arbeit an dem Werft-Musical, sagt Sting, habe ihm die Freude am Songschreiben zurückgebracht. Sein neues Album „57th & 9th“ habe er binnen zwei Monaten fertiggestellt, erzählte er Journalisten kurz vor seinem 65. Geburtstag. Doch bis es im November endlich erscheint, müssen die Fans sich noch ein wenig gedulden.

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