"Hart aber fair" in der ARD Plasberg diskutierte mit Gästen über den Brexit

BONN · Knapp neun Wochen vor dem geplanten Austritt Großbritanniens aus der EU wollte „Hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg mit seinen Gästen auf Spurensuche gehen. Richtig contra gab aber nur einer der Gäste.

Darum ging’s

Die Leitfrage der Sendung lautete: „Briten weg, wir noch da: Wie muss Europa dann besser werden?“ Dazu stellte die Redaktion von Moderator Plasberg die Fragen, ob die EU Aufschwung und Fortschritt hemmt, zu bürokratisch ist und zu viel Geld umverteilt. Er diskutierte darüber mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Medien.

Darum ging’s wirklich

Vier gegen einen – so könnte man die Gesprächsrunde umschreiben, nämlich alle gegen den Ökonomen Stelter, der den Briten nach dem Brexit eine glänzende wirtschaftliche Zukunft voraussagt. Antworten auf das eigentliche Thema der Sendung – wie muss die EU besser werden – waren rar gesät.

Die Gäste:

• Rolf-Dieter Krause, früherer ARD-Korrespondent in Brüssel

• Daniel Stelter, Volkswirtschaftler und Unternehmensberater

• Evelyne Gebhardt (SPD), Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments

• Lutz Trümper, Oberbürgermeister von Magdeburg

• Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen

Diskussionsverlauf

Moderator Frank Plasberg schlägt zum Auftakt der Sendung vor, den Austritt Großbritanniens aus der EU, der in wenigen Wochen – in welcher Form auch immer – bevorsteht, als Weckruf zu sehen: Wie kann die EU besser werden? Steckt der EU-Karren wirklich so tief im Dreck, wie einer seiner Gäste, der Unternehmensberater und Ökonom Daniel Stelter, behauptet?

Rolf-Dieter Krause, früherer ARD-Korrespondent in Brüssel, sagt, die EU könne nicht mehr als ohnehin schon tun, um den Briten noch weiter entgegenzukommen. Er vergleicht die Lage mit einem Fußballspiel: Die Briten wollten zwar auf demselben Acker wie die anderen EU-Staaten spielen, aber dabei die Regeln selbst bestimmen – und vor allem diese zu ihrem eigenen Vorteil ändern.

Lutz Trümper, Oberbürgermeister von Magdeburg, hebt die Rolle der Europäischen Union als Garantin des Friedens hervor. Als Ostdeutscher sehe er die Entwicklung mit Sorge. In seiner Stadt freue man sich nämlich – dank der Freizügigkeit – über Menschen aus ganz Europa, die dort arbeiten und forschten. Explizit lobt er Arbeitnehmer aus Osteuropa, die an Baustellen dort arbeiteten, „wir sind froh, dass sie da sind“. Er sieht die EU positiv: Magdeburg als Stadt habe „massiv“ Fördermittel von der EU bekommen.

Daniel Stelter, Volkswirtschaftler und Unternehmensberater, dem in der Runde die Rolle als Außenseiter zukommt, vertritt die These, dass die Briten – salopp gesagt – das sinkende Schiff verlassen. Die nächsten seien, wie er später in der Sendung sagt, vielleicht bald die Italiener. Er wirft Deutschland vor, dass es sich vor den französischen Karren habe spannen lassen, möglichst hart mit den Briten umzuspringen. Um das wirtschaftliche wesentlich unbedeutendere Griechenland habe sich Deutschland stark gekümmert, sei unzählige Male nach Griechenland gereist – aber um Großbritannien, mit dem viel mehr Handel stattfindet, habe man sich kaum gekümmert, kritisiert er weiter.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet murmelt leise "Quatsch", als er das hört. Er sagt, dass, wer die Briten kenne, wisse, dass Besuche deutscher Politiker in Großbritannien kontraproduktiv gewesen wären. Der damalige britische Premierminister David Cameron habe „aus wahltaktischen Gründen mit dem britischen Volk gespielt“, indem er ein Referendum angeboten habe, das er selbst nicht wollte, sagt Laschet.

Evelyne Gebhardt (SPD), Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, sagt, es sei "sehr bedauerlich, dass die Briten beschlossen haben zu gehen". Sie gibt Laschet recht mit dessen Aussage, dass sich die deutsche Politik besser nicht eingemischt hat. "Lasst uns, das ist unsere Sache", hätten die Briten andere Europa-Abgeordnete gebeten. "Das haben wir respektiert und müssen das respektieren“, sagt Gebhardt. Mit Blick auf Stelter sagt sie, dass sich Europa da nicht einmischen kann, auch wenn das "politisch totaler Schwachsinn war, was da gemacht worden ist".

Laschet hält Stelters These, wonach der Ausstieg der Briten sich in 20 Jahren als visionär herausstellen werde und dass (wirtschaftlich) alles blühen werde, für falsch. „Das glauben ja die Briten selbst nicht.“ Er ärgert sich sichtlich über den Vorschlag Stelters, Kontingente für „Zuwanderer“ einzuführen, ein Begriff, über den sich die beiden länger streiten: für Stelter kann das ein Deutscher sein, der nach Großbritannien geht. Laschet sagt, das sei kein „Zuwanderer“, sondern ein „Unionsbürger“. Er wehrt sich dagegen, dass jungen Briten nun verwehrt werden soll, frei zu entscheiden, wo sie arbeiten wollen.

Gegen Schluss der Sendung versucht Moderator Plasberg doch noch auf das eigentliche Thema zurückzukommen, nämlich, wie sich „der verlassene Partner“, also die EU, verhalten müsse. „Vielleicht auf große oder kleine Aufreger besser hören“, schlägt er vor. Als Diskussionsgrundlage müssen mehrere EU-Ausschreibungen, die noch schnell schnell abgehandelt werden, sowie das Kindergeld herhalten. Dieses wird auch für Kinder gezahlt, die nicht in Deutschland leben, aber die ein aus Deutschland stammendes Elternteil haben. Während in Deutschland unabhängig vom Wohnort des Kindes die gleiche Summe gezahlt wird, hängt zum Beispiel in Österreich die Höhe des Betrags davon ab, wo das Kind wohnt. Das, sagt die EU-Kommission, verstoße aber gegen EU-Recht. EU-Vertreterin Gebhardt findet das auch richtig so, man könne ja auch nicht anfangen, noch regionale Unterschiede innerhalb Deutschlands mit einzuberechnen: "Das ist ein bürokratisches Monstrum, was da geschaffen wird.“

Dieser Text ist zuerst bei RP Online erschienen.

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