Wie mit dem Skalpell geschrieben Neuer Roman von Daniela Krien

Bonn · Daniela Kriens Roman „Die Liebe im Ernstfall“ erzählt von fünf Frauen im Krisenmodus. Und das auf atemberaubend genaue Weise.

 Daniela Krien liest am 24. März in Köln. FOTO: MAURICE HAAS/DIOGENES

Daniela Krien liest am 24. März in Köln. FOTO: MAURICE HAAS/DIOGENES

Foto: d

Wenn wir Paula kennenlernen, hat sie ein früh gestorbenes Kind, eine heranwachsende Tochter, einen Ex-Mann und einen Liebhaber. Paula ist eine Überlebende, wie auch Judith, Brida, Malika und Jorinde. Sie alle erleben in Daniela Kriens neuem Roman tatsächlich „Die Liebe im Ernstfall“.

Doch mag es mit den Männern, Kindern und Berufen noch so eine Last sein – die Autorin stimmt hier kein fünfstrophiges Klagelied über die weibliche Malaise an. Dafür schaut die 1975 in Neu Kaliß (Mecklenburg-Vorpommern) geborene Schriftstellerin („Irgendwann werden wir uns alles erzählen“) einfach zu genau hin.

Für Paula beginnt das Elend mit Ludger, der nur bei ihrem ersten Blick durch die rosarote Verliebtheitsbrille wie ein idealer Partner aussieht. Danach entpuppt er sich leider als schwer erträglicher Pedant und politisch korrekter Querulant. Wobei dann sogar er die Beziehung beendet.

Personen treffen aufeinander

Wie das Schweigen in die Zweisamkeit sickert und scheinbar unzerstörbares Glück im Alltag zerschmirgelt wird, erfahren auch die vier anderen Frauen. Zum Roman werden die nacheinander erzählten Storys durch einen dramaturgischen Clou: Die Lebenslinien der Protagonistinnen schneiden sich, wenn auch oft nur haarscharf.

Paula wohnte vor dem Ehedesaster mit der selbstbewussten Ärztin Judith zusammen. Klingt nach schönster Frauensolidarität. Doch während Judith auf Partnersuche im Internet mehr männliche Mängel- als Prachtexemplare aufspürt, urteilt sie über ihre Ex-Freundin: „Wie ein Abgrund ist Paula, wie ein tiefes schwarzes Loch, in das man Verständnis, Geduld und Liebe hineinwirft, und alles versinkt, ohne auch nur einen Hall zu erzeugen.“

Judiths Patientin Brida und Malika wiederum könnten Konkurrentinnen sein, wurden aber beide nacheinander vom gleichen Mann verlassen. Jedes neue Frauenporträt lässt hier das vorige in neuem Licht, manchmal Zwielicht erscheinen, und die Schichtung der Schicksale ergibt ein schillerndes Gesamtbild.

Probleme werden unterschiedlich gelöst

Mit Malika treten Zeit und Ort dieser Biografien klarer in den Blick. Denn vor der Wende betreiben ihre kapriziösen Eltern Viktoria und Helmut (Spitzname: „Die Schöne und das Biest“) eine Art DDR-Kultursalon, doch nach dem Mauerfall platzt der intellektuelle Lack ab. Nun sieht Helmut den deklassierten Osten als „Konzernkolonie“.

Solche politische Ernüchterung seziert Daniela Krien ebenso skalpellscharf wie die Verwerfungen zwischen Männern und Frauen oder das Erfolgsgefälle bei Geschwistern. Malika wird nicht Geigerin, sondern nur Musiklehrerin, während ihre glamouröse Schwester Jorinde als Schauspielerin Karriere macht. Es gibt in all diesen amourösen Minenfeldern Hass und Neid, deprimierende Abstürze, aber auch unpathetische Tapferkeit. Am Ende versöhnen sich zwei Schwestern, retten ein uneheliches Kind und irgendwie auch ihren schwierigen Vater. Ernstfall liebevoll bewältigt.

Daniela Krien: Die Liebe im Ernstfall. Roman, Diogenes, 288 S., 22 Euro. Die Autorin liest auf der lit.Cologne am 24. März, 19.30 Uhr in der Comedia, Vondelstr. 4-8.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort