Der heilige Michael Michael Jackson Ausstellung kommt nach Bonn

London · Die Michael Jackson Ausstellung kommt vom 22. März bis 12. Juli 2019 in die Bundeskunsthalle nach Bonn. Eine weitere Station steht Espoo in Finnland auf dem Plan.

Lyle Ashton Harris malte das letzte „Ebony“-Cover mit Jackson.

Lyle Ashton Harris malte das letzte „Ebony“-Cover mit Jackson.

Foto: Portrait Gallery

Vielleicht war er wirklich ein Heiliger? Sicherlich ein Objekt der grenzen- und großteils hemmungslosen Verehrung, die weder Kitsch- noch Geschmacksgrenzen kennt, oft in tiefe, pseudosakrale Anbetung mündet und sich in üppigen Bildräumen manifestiert, die man sonst nur noch aus überladenen bayerischen Rokokokirchen kennt. Warum man sich Michael Jackson als heldenhaften, über den roten Drachen sieghaften heiligen Michael, als reitenden Retter wie König Philipp II. in der Schlacht von St. Quentin – wie Rubens ihn malte – oder als androgyne Madonnengestalt unbedingt ansehen sollte? Weil es in unserer säkularen Zeit keine Figur gibt, die derart verehrt wurde wie der 2009 gestorbene King of Pop.

Eine Persönlichkeit, die Fans zu Künstlern und Künstler zu Fans macht. Ironie und Satire wird man in der Ausstellung der ehrwürdigen Londoner Portrait Gallery umsonst suchen – mit einer Ausnahme vielleicht: Mark Flood zeigt in einer witzigen Collage den vieräugigen und endlos zähnebleckenden Michael Jackson im Arm von Spielbergs E.T. – zwei Ikonen der Popkultur fast auf Augenhöhe. Ob Pop-Art-Gott Andy Warhol oder der Kitschpapst David LaChapelle, die deutsche Biennale-Künstlerin Isa Genzken, die Installations-Künstlerin Louise Lawler, die 2013 das ganze Museum Ludwig in Köln bespielte, die Videokünstlerin Klara Lidén, die sich selbst im Moonwalk versucht, oder der auf Schockmotive abonnierte Kunstrebell Paul McCarthy – sie alle sind der Faszination Jacksons mehr oder weniger kreativ und überzeugend erlegen.

Wie die 16 deutschen Fans, die die südamerikanische Videokünstlerin Candice Breitz bei einer Art Re-Inszenierung des Erfolgsalbums „Thriller“ in einem Berliner Studio filmte. Jeder der Protagonisten durfte seine persönliche Version des Albums aufnehmen – ein 42 Minuten dauerndes fantastisches Stück Rezeptionsgeschichte. 16 Versionen stehen nebeneinander – ein eindrucksvoller Chor.

Aus allen Perspektiven

Das Phänomen Michael Jackson wird aus allen Perspektiven beleuchtet, der Besucher der Portrait Gallery gelangt durch die Tür des wandfüllenden „Dangerous“-Covers von Mark Ryden in das Jackson-Universum, in dem das Idol gefeiert wird.

Der schillernde Parcours reist weiter im Pariser Grand Palais, wo „Michael Jackson: On The Wall“ von Ende November bis Mitte Februar 2019 zu sehen ist. Nächste Station der Europatournee ist die Bundeskunsthalle in Bonn, die vom 22. März bis 14. Juli 2019 den King of Pop feiert. Als weitere Station steht Espoo in Finnland auf dem Plan.

Die Bandbreite der Schau reicht von üblichen Künstler-Devotionalien wie Fotos und Porträts, die Zeugnisse einer tiefen Verehrung sind, bis zu bildnerischen Dokumenten, die Jackson als politische Figur präsentieren, aber auch idealisieren. Man mag sich verwundert die Augen reiben, aber die mehrfach operierte Kunstfigur mit dem bleichen Teint wurde auch als politischer Heilsbringer in Afrika verehrt. Faith Ringgold etwa feiert Jackson als tanzende Lichtgestalt in der New Yorker U-Bahn mit ihrem Unterweltpersonal – eine Szene aus Michael Scorseses Film „Bad“ war das Vorbild. Graffiti reihen Jackson in die Ahnengalerie von Bürgerrechtsikonen von Martin Luther King bis Rosa Parks und Nelson Mandela ein.

Der Held Afrikas

Etliche Male war Jacksons Gesicht auf dem Cover der Zeitschrift „Ebony“ zu sehen, in der die afroamerikanische Community ihre Helden feiert. Lyle Ashton Harris verewigte das letzte Jackson-Cover von 2007 in Öl auf ghanaischem Grabtuch. Der Fotograf Todd Grey – einer von Jacksons Leibfotografen der Jahre 1979 bis 1983, brachte im Jahr 2014 Porträts aus dem Archiv des Stars mit Fotos zusammen, die in Ghana entstanden – damit versuchte er seine Master-Arbeit über den Blick auf die Folgen postkolonialer Entwicklungen und die Fragen von Rasse, gesellschaftlicher Klasse und Gender.

Man mag diesen Gedankensprüngen folgen oder nicht: Die Ausstellung bietet eine Fülle von Entdeckungen, dazu viel Musik und unvergessliche Filmdokumente. Die trösten über manche weit hergeholte Kunst und manches gewöhnungsbedürftige Kitschwerk hinweg. Maskierung, Verstellung und Verwandlung ziehen sich als Roter Faden durch die Schau, was auch Abstürze beinhaltet. „Sex, Drogen und Tongeschirr“ etwa steht auf der Keramik mit den Porträts der früh verstorbenen Michael Jackson und Kurt Cobain.

Intendant Rein Wolfs, der die Schau ab März in der Bundeskunsthalle zeigt, bringt es auf den Punkt: „Es geht um die Verwandlungsfähigkeit – Michael Jackson und Madonna haben die Wahrnehmung der Welt verändert.“

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