Freitreppe zur Menscheitsgeschichte James-Simon-Galerie in Berlin eröffnet

Berlin · Angela Merkel eröffnet die James-Simon-Galerie, den zentralen Zugangsbereich auf der Museumsinsel in Berlin. Es handelt sich hier um einen Bau des Stararchitekten David Chipperfield.

 Zentraler Zugangsbereich: Die James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel von David Chipperfield.

Zentraler Zugangsbereich: Die James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel von David Chipperfield.

Foto: dpa

Wo die preußische Post einst Pakete sortierte, organisieren Kulturinteressierte nun ihr Rendezvous mit 6000 Jahren Menschheitsgeschichte: Nach jahrzehntelangen Planungen, Neuplanungen, Überarbeitungen, Verzögerungen und Verteuerungen eröffnet an diesem Samstag der zentrale Zugangsbereich zu den fünf Hauptattraktionen der Museumsinsel. Den Festakt am Freitag nutzte Kanzlerin Angela Merkel zum Plädoyer gegen „Abgrenzung, Ausgrenzung. Abschottung“ und empfahl stattdessen das Lernen aus der Zeitreise und dem Miteinander der Kulturen, das der Museumsbesuch ermögliche.

Wäre die Museumsinsel leer gewesen, als Karl Friedrich Schinkel 1825 an den Bau des Alten Museums ging, vermutlich hätt e am Anfang eine Konzeption gestanden. Mit Museen, die sich um einen zentralen Eingang gruppieren und ein geschlossenes Gesamtbild ergeben. Doch das Areal in Schlossnähe war mit Funktions-, Lager-, Speicher- und Wohngebäuden vollgestopft, und so wie ein Museum nach dem anderen aus allen Nähten platzte, kamen bis 1930 neue dazu. Am Ende kehrten sie einander ihre Rücken zu, öffneten sich nach Süden, Westen, Osten. Kein Wunder, dass eine Skizze von 1875 bereits ein prägnantes Eingangsbauwerk mit Freitreppe als Möglichkeit vorsah, das Areal zu ordnen. Nun, 144 Jahre später, ist es geschafft. Das Gewürge um den neuen BER-Zentralflughafen ist zeitlich dagegen ein Klacks.

Vor allem ist es preiswerter geblieben als der BER, auch wenn sich die Kosten auf 134 Millionen Euro fast verdoppelten. Auch der Untergrund war schuld, musste mit 1200 Pfählen stabilisiert werden. Schon der Vorgängerbau war hier 1938 eingesackt. Kriegs- und DDR-Zeiten hinterließen Ruinen, und dann sollte es vom ersten Entwurf im Jahr nach dem Mauerfall noch einmal fast drei Jahrzehnte dauern, bis sich die Museumsinsel für derzeit 2,5 Millionen Besucher jährlich und einen noch größeren Zuspruch in der Zukunft fit gemacht hat.

Schlanke, hohe Säulen

Es ist ein vom Lustgarten aus gut zu sehendes architektonisches Ausrufungszeichen geworden. Mit seinen schlanken, hohen Säulen nimmt es die Nachbarschaft des Neuen Museums unmittelbar auf, lädt mit einer großen Freitreppe einladend zu Besuch und Verweilen ein und fügt im Innern Ticketservice, Garderoben, Café, Sanitäres als Dienstleistung für alle Museen zusammen, setzt dabei weitere Akzente mit eigener Ausstellungsfläche und Veranstaltungssaal.

Merkel erinnerte daran, dass sie im Oktober 2009 bereits bei der Wiedereröffnung des Neuen Museums dabei sein konnte, das der britische Stararchitekt David Chipperfield „behutsam wiederhergestellt und kongenial ergänzt“ habe. Der Neubau nahe ihrer Wohnung hat die Kanzlerin derart beeindruckt, dass sie Chipperfield in einem Atemzug mit den Erbauern der anderen Museen nannte und ihm bescheinigte, den großen Vorbildern auf Augenhöhe begegnen zu können.

Der Schlussstein geht mit einer bemerkenswerten Namensgebung einher. Mit der James-Simon-Galerie entreißt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz den größten Mäzen der Stadt der Vergessenheit. Er schenkte die Nofretete-Büste und weitere 10 000 Exponate den Berliner Museen, setzte sein Vermögen auch für die Armen Berlins ein und hörte auch dann nicht auf zu stiften, als sein Baumwoll-Imperium in wirtschaftlicher Talfahrt war. Weil er Jude war, verbannten die Nazis seinen Namen, und auch nach dem Krieg blieb der 1932 verstorbene Simon eine unbekannte Größe obwohl es ihm zu verdanken war, dass die Berliner Museen Weltgeltung erlangen konnten.

Bewegende Szenen spielten sich bei der Eröffnung ab, als Simons Nachfahren, die vor dem Holocaust hatten fliehen müssen, mit ihren Kindern und Enkeln in den ersten Reihen Platz nahmen und von einem Umzug berichteten. Als Mäzen-Enkel Timothy M. Simon ausrief: „Die Simon-Familie ist nach Berlin zurückgekehrt!“, sprangen die 300 Festgäste auf, um zu applaudieren. Chipperfield hat die 20 Jahre, in denen für ihn und sein Team die James-Simon-Galerie im Zentrum stand, als „komplexes Abenteuer“ erlebt. Nun, da es eine architektonische Verbindung von der klassischen Antike über die preußische Perzeption bis ins 21. Jahrhundert gebe, betrachte er die Zeit als „20 wunderbare Jahre“.

Mit einem großen Aktionstag sollen an diesem Samstag Tausende Besucher mit dem neuen Bau vertraut werden, die Zugänge zu Pergamonmuseum und Neuem Museum testen. Bis alle Teile der Museumsinsel renoviert sind und der Eingangsbereich seine vollständige Funktion erfüllt, dürfte es noch über ein Jahrzehnt dauern.

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