Antisemitismus im Rap Diskussion um Echo offenbart gesellschaftliche Schieflage

Die Diskussion um den Publikumspreis Echo und die zwei nominierten Rapper Kollegah und Farid Bang offenbart, dass gesellschaftlich etwas schiefläuft. Oder warum hören Millionen gewaltverherrlichende und menschenverachtende Texte?

Für diejenigen, die es noch nicht mitbekommen haben: Es gibt wieder einen Skandal um Gangsterrapper und ihre Texte. Sie wissen schon, diese harten Jungs, die sich stets als gemeingefährliche Muskelmänner inszenieren und durch kalkulierte Tabubrüche um Aufmerksamkeit werben – was dann zuverlässig die Plattenverkäufe fördert.

Es ist dieses Mal eine von „Bild“ ausgelöste Debatte über einen traditionell qualitätsverweigernden Preis, der am Donnerstag an zwei geschäftstüchtige Künstler gehen könnte. Eine unsägliche Debatte, weil sie von vornherein falsch geführt wurde. Aber auch, weil der Publikums-Musikpreis Echo offenlegt, dass etwas nicht stimmen kann in einer Gesellschaft, in der Rapper wie Farid Bang und Kollegah (bürgerlich Farid Hamed El Abdellaoui und Felix Blume) extrem viele Alben verkaufen mit Inhalten, die weit über das hinausgehen, was diesem als Battle-Rap bezeichneten Genre einst seine Legitimität gegeben hat.

„Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“ rappt Farid Bang auf einem Bonustrack des gemeinsam mit Blume herausgebrachten Albums „Jung, brutal, gutaussehend 3“, das sich mit mehr als 200.000 verkauften Einheiten seit Anfang Dezember 2017 in den Albumcharts hält und zuletzt wieder auf Rang 23 kletterte. Die genannte Zeile hat „Bild“ nun, Monate nach Veröffentlichung, den Anlass gegeben, den Rappern Antisemitismus vorzuwerfen.

Frontalangriff auf die "Bild"-Zeitung

Nicht zum ersten Mal mussten diese sich mit derartigen Anschuldigungen auseinandersetzen – sie haben sich mal mehr, mal weniger überzeugend davon distanziert. Und zuletzt die Zeitung frontal angegriffen: „Euch kauft die Scheiße keiner ab“, sagt Blume in einem Video und wirft „Bild“ darin gezielte Rufschädigung und kein Interesse an einer ehrlichen Diskussion vor. Mit dem letztgenannten Punkt hat er wohl recht. Denn Antisemitismus trifft nicht den Kern des Pro-blems.

„F**** deine Mutter heute syrer-mäßig / Nachdem ich ihr mein Messer durch die Kehle führe / Steck’ ich ihre Gliedmaßen in ’ne Rewetüte (ey).“ Oder: „Nach einem Schlag denkst du, dich hätt ein Lkw überfahr’n / Als wärst du aufm Weihnachtsmarkt“. Auch dies sind schwer erträgliche Zeilen von „Jung, brutal, gutaussehend 3“. Sie sind zwar aus dem Zusammenhang zitiert, doch der Kontext würde es nicht besser machen. Wer so textet, hat die Schraube des Battle-Rap zu weit gedreht – legal ist das offenbar noch, legitim hingegen nicht.

Die Selbstüberhöhung und gleichzeitige Herabwürdigung des Gegenübers ist das Wesen des Genres. In der Regel ist dies von der Freiheit der Kunst gedeckt. Durch den Bezug auf zeitgeschichtliche Gewaltereignisse in Verbindung mit menschenverachtenden Szenarien, erzählt aus der Ich-Perspektive, wird hier jedoch eine verbale Verrohung vorangetrieben, die in immer extremeren Gewaltausbrüchen in der realen Welt ihre Entsprechung findet. Dies mit einer Echo-Nominierung zu würdigen, ist hanebüchen. Auch wenn, rein technisch-musikalisch betrachtet, die Herren Bang und Kollegah sicher zu den besten Vertretern ihres Genres gehören.

Knappes Votum für die Freiheit der Kunst

Doch Millionen vorwiegend junger Menschen finden auch diese Inhalte gut – sie kaufen oder streamen die Musik von Kollegah und Farid Bang. Und deswegen sind diese für den Echo nominiert – einen Preis, der sich allein nach Verkaufszahlen richtet. Die Rapper stehen dort in einer Reihe mit den eher harmlosen Amigos, Kastelruther Spatzen, der Kelly Family und der unvermeidlichen Helene Fischer.

Dabei hätte der verantwortliche Bundesverband der deutschen Musikindustrie es wissen können: Nachdem 2013 die Rechtsrocker von Freiwild nominiert waren und andere Künstler mit Boykott drohten, wurde ein Ethik-Beirat gegründet. Dieser entschied nun knapp für die Freiheit der Kunst und damit den Fortbestand der Nominierung.

Und so kann es sein, dass nach einer unsäglichen Debatte eine unsägliche Preisverleihung folgt, die komischwerweise niemand boykottieren möchte. Die Frage, warum so viele Menschen Inhalte wie die von Farid Bang und Kollegah goutieren, bleibt hingegen offen.

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