Sammlung aus Kolonialzeit Streit um Humboldt Forum: Intendanten weisen Kritik zurück

Berlin · Wie soll das Berliner Humboldt Forum mit seinen Sammlungen aus der Kolonialzeit umgehen? Eine Kunsthistorikerin erhebt schwere Vorwürfe.

 Neil MacGregor ist einer der Gründungsintendanten des Humboldt Forums. Zusammen mit seinen Kollegen wies er die Kritik der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy zurück.

Neil MacGregor ist einer der Gründungsintendanten des Humboldt Forums. Zusammen mit seinen Kollegen wies er die Kritik der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy zurück.

Foto: Soeren Stache/dpa

Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, bis vor kurzem noch Mitglied im Beirat des Humboldt Forums, hat scharfe Kritik an dem Projekt geübt. "Provenienzforschung müsste das Ding sein", sagte Savoy. Ohne eine solche Auseinandersetzung dürfe heute kein ethnologisches Museums öffnen.

Das Humboldt Forum und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sollten die Geschichte ihrer außereuropäischen Sammlungen, die zum großen Teil während der Kolonialzeit entstanden sind, offenlegen. Das Humboldt Forum wies die Kritik zurück. "Provenienzforschung ist die DNA der Institution", erklärten die Gründungsintendanten Neil MacGregor, Hermann Parzinger (Preußischer Kulturbesitz) und Horst Bredekamp (Humboldt Universität) in einer Stellungnahme. Jedes Objekt, das ausgestellt wird, sei von den Kuratoren einer ersten Prüfung der Provenienz unterzogen worden. "Es ist schon lange klar, dass im Humboldt Forum zu jedem Exponat Grundinformationen zur Herkunft und Sammlungsgeschichte sichtbar sein werden."

Das Humboldt Forum im wiederaufgebauten Berliner Schloss soll Ende 2019 als Museums- und Kommunikationszentrum eröffnet werden. Im Mittelpunkt der Ausstellungen sollen die großen Weltkulturen stehen.

Sie sei aus Frust über den Umgang mit dem Beirat aus dem Gremium ausgetreten, sagte Savoy. Der Beirat sei seit 2015 nur zweimal zusammengetreten. Die Intendanten erklärten dazu, man stehe in ständigem Kontakt mit Mitgliedern des Beirats, die nächste Sitzung sei für Anfang Januar 2018 geplant.

Savoy, die an der Technischen Universität Berlin und am Collège de France lehrt, sprach von einem unlösbaren Widerspruch zwischen der Schloss-Kopie und der geplanten Ausstellung. "Die Architektur signalisiert, dass man Geschichte rückgängig machen kann. Doch den Leuten, die um Rückgabe gestohlener Objekte bitten, erklärt man, Geschichte lasse sich nicht rückgängig machen", sagte Savoy.

"Für mich ist es weniger wichtig zu wissen, welche Funktion ein Gegenstand in Namibia hatte, als zu erfahren, unter welchen Umständen er hierher gekommen ist", sagte Savoy in dem Interview. "Ich bin froh über jede Idee, alles was die Intelligenz anspricht und nicht nur dazu da ist, die Massen reinzubringen und mit Restaurants und Shops Kasse machen", sagte die Historikerin. "Dafür ist das Humboldt-Forum zu schade."

Dazu gehörten 300 Jahre Sammeltätigkeit "mit all den Schweinereien und Hoffnungen, die damit verbunden sind. Das sind wir, das ist Europa." Man könnte sich unendlich viel im Humboldt Forum vorstellen, "wenn das Ganze nicht unter dieser Bleidecke begraben wäre wie Atommüll, damit bloß keine Strahlung nach Außen dringt. Das Humboldt Forum ist wie Tschernobyl", sagte Savoy.

"Wenn man Objekte nur ausstellt und nicht mehr intellektuell an ihnen arbeitet, sind sie tot", sagte Savoy. Die Politik habe sich für den Schloss-Wiederaufbau entschieden, drücke sich aber vor einer kritischen Auseinandersetzung damit. Jetzt versuchten Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Gründungsintendant MacGregor, "zu retten, was noch zu retten ist."

Der Name der Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt sei nur ein "Label", sagte Savoy. "Das Credo der Humboldts war die Verbindung von Sammlungen, Forschung und Lehre. Im Humboldt Forum wird genau das nicht realisiert." Die Intendanten erklärten dazu, alle Museen unterschieden zwischen Dauerausstellung und Forschungssammlungen. Das Humboldt Forum werde all diese Bereiche zusammenführen, die Pläne seien seit Jahren bekannt.

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