Werkschau auf CD und DVD Nick Cave als Poet und Prediger

Werkschau auf CD und DVD: „Lovely Creatures – The Best of Nick Cave and The Bad Seeds“ spiegelt knapp 30 Jahre einer großen Karriere.

 Der Meister bei der Arbeit: Nick Cave im Studio.

Der Meister bei der Arbeit: Nick Cave im Studio.

Foto: Rapid Eye Movies

Als auf dem Museumsplatz in Bonn noch die Musik spielte, wurden die Open-Air-Liebhaber über alle Maßen verwöhnt. Hier war die Elite des Pop zu Gast. Im Juli 1998, fast 20 Jahre ist es her, traten Nick Cave & The Bad Seeds auf. Damals gehörte der deutsche Gitarrist und Sänger Blixa Bargeld noch zur Band. Der wandelbare Mann gab für „The Weeping Song“ singend einen weisen Vater und für „Where The Wild Roses Grow“ eine jungfräuliche Geliebte. Das Publikum nahm entzückt zur Kenntnis, mit welch stoischer Hingabe Bargeld Kylie Minogues ursprünglichen Gesangspart („He would be my first man“) ausgestaltete. Zur Belohnung gab's ein Küsschen von Cave. Das zweistündige Programm war so etwas wie die Live-Offenbarung des gerade erschienenen „Best-of“-Albums, eine Reise von der Gegenwart („The Boatman's Call“) in die diskografische Vergangenheit.

Cave, Jahrgang 1957, hatte 1998 nichts von der Intensität früherer Jahre eingebüßt, nur bevorzugte er nunmehr – wie zum Beispiel „From Her To Eternity“ zeigte – exakt choreografierte Ekstasen und kontrollierte Ausbrüche. Die dunklen Bezirke menschlicher Existenz, die er in früheren Zeiten schwermütig erforscht hatte, erhellte er nun mit raffinierten Arrangements und einnehmenden Harmonien. Cave, dessen mechanische Körpersprache mit seinem geschmeidigen Gesang konkurrierte, gab auf der Bühne den Rockstar als Poet und Prediger.

Jetzt haben der in Australien geborene Sänger und Songwriter und die Bad Seeds abermals eine Werkschau herausgebracht. Sie umfasst knapp 30 Jahre, von 1984 bis 2013. Das Best-of wird in unterschiedlichen Formaten angeboten. Wer es luxuriös mag, greift zur wunderschön gestalteten De-luxe-Edition mit drei CDs und einer DVD. Letztere bietet eine wilde Mischung aus Interviews und Live-Mitschnitten. Man wird staunender Zeuge eines Auftritts 2008 in Marseille, wo der Song „Night Of The Lotus Eaters“ auf exzessive Weise interpretiert wird. „From Her To Eternity“, 1984 in Pasadena gespielt, spiegelt Wahnsinn und gewaltsame Affekte auf der Konzertbühne.

Dann sieht man 17 Jahre später den gereiften Musiker (und Menschen) am Bösendorfer. Er singt die zartbittere Ballade „Love Letter“. Von solchen Kontrasten lebt das gut zweistündige DVD-Material. Wer die Bad-Seeds-Künstler einmal als junge Männer erleben will, ist hier richtig: mit Bart, ohne Bart, am Ende fast immer im Anzug. Die Songauswahl ist über jeden Zweifel erhaben. 45 Stücke, von „From Her To Eternity“ bis „Push The Sky Away“, bieten die drei CDs.

Sie spiegeln die Entwicklung von traditionellen Songstrukturen mit obligatorischem Refrain hin zu komplexen Mustern. Unter dem Einfluss des Bandkollegen Warren Ellis hat sich Cave beim Komponieren auf spontane und assoziative Verfahren eingelassen. Das Predigerhafte steht hinter Poesie und Atmosphäre zurück. Nach der Wiederbegegnung mit den „Lovely Creatures“ will man die Bad Seeds sofort wieder im Konzert erleben. Lässt sich einrichten: Am 12. Oktober treten Cave und Kollegen in Düsseldorf auf.

„Lovely Creatures – „The Best of Nick Cave and The Bad Seeds“. 3 CDs und 1 DVD. Mute Records/BMG.

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