Die Perser In Stroboskopgewittern: Ulrich Rasche inszeniert in Salzburg

Salzburg · Das antike Drama "Die Perser" von Aischylos ist aktueller denn je. Der Dichter feiert darin die Errungenschaften der athenischen Demokratie. In Ulrich Rasches Überwältigungstheater bei den Salzburger Festspielen ist davon wenig zu sehen.

 Ulrich Rasches Inszenierung der Aischylos-Tragödie "Die Perser" wurde in Salzburg gefeiert.

Ulrich Rasches Inszenierung der Aischylos-Tragödie "Die Perser" wurde in Salzburg gefeiert.

Foto: Barbara Gindl/APA

Ulrich Rasche ist so etwas wie der Rockstar unter den deutschen Theaterregisseuren. Seine zyklopischen, von Nebelschwaden im Gegenlicht umwaberten Bühneninstallationen könnten einem Konzert der martialischen Deutschrocker von Rammstein entsprungen sein.

Für sein gefeiertes Debüt bei den Salzburger Festspielen am Samstagabend im Salzburger Landestheater hatte sich Rasche mit dem Drama "Die Perser" von Aischylos einen passenden Stoff ausgesucht: es handelt von der größten und blutigsten Seeschlacht der Antike, der Schlacht von Salamis, in der das zahlenmäßig überlegene Heer des Perserkönigs Xerxes von den Griechen vernichtend geschlagen wurde.

Diesmal wuchtet der zur Zeit allseits geschätzte Regisseur, der immer auch sein eigener Bühnenbildner ist, zwei riesige, ständig rotierende Scheiben in das unschuldige Neobarock-Theaterchen. Die eine ragt weit ins Parkett hinein, die andere türmt sich im Bühnenhaus auf. Letztere ein Wunderwerk der Bühnentechnik, irgendwo zwischen Fliegender Untertasse und jenen rasenden Fahrgeschäften, die auf den Jahrmärkten wagemutige Besucher das Fürchten lehren. Mittels einer komplexen Hydraulik kann die Plattform aufgestellt, gekippt, gedreht werden. Die Schauspieler, die auf ihr agieren müssen, sind sicherheitshalber angeseilt.

Eigentlich passiert nicht allzu viel in dem vor 2500 Jahren entstandenen Drama, außer das geprotzt, gekämpft, gestorben und lamentiert wird. Aischylos schildert das welthistorische Geschehen von Salamis, das den Untergang des damaligen persischen Weltreiches bedeutet, aus der Sicht der Unterlegenen in ihrer Hauptstadt Susa. Dort rühmen der Chor des persischen Ältestenrates und die Mutter des Xerxes, der eine Niederlage seines Vaters gegen die Athener rächen wollte, zuerst die Taten des ehrgeizigen Feldherren, um sie nachher genauso entschieden zu verdammen und das Leid der Perser zu beklagen: Hochmut kommt vor dem Fall.

Die vordere Scheibe hat Rasche für die Frauen reserviert, die großartigen Schauspielerinnen Valery Tscheplanova und Katja Bürkle als Ältestenrat nebst Patrycia Ziolkowska als Königsmutter Atossa. Immer streng im Puls eines zwischen Rap, Rock und Minimal Music sich bewegenden, zuweilen Ohren betäubenden Soundtracks - zu Beginn der Vorstellung wurden kostenlos Ohrenstöpsel ausgegeben - deklamieren sie in Zeitlupentempo den von dem Schweizer Schriftsteller Durs Grünbein neu (und etwas lieblos) übersetzten Text.

Auf der hinteren Scheibe rüsten sich die Perser zur Schlacht. Sie skandieren streng im Chor, was ihnen jede Individualität nimmt: Kanonenfutter. Das Gemetzel selbst ist unter Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten in Szene gesetzt. Im Stroboskopgewitter und Nebelmeer sieht man die verbissen kämpfenden Soldaten nur schemenhaft. Ihre von Schmerz, Angst und Hass verzerrten Gesichter sind mittels Bühnenkamera in Nahaufnahme auf einem vor der Szenerie heruntergelassenen Gazevorhang zu sehen. Rausch, Ekstase, Überwältigungstheater pur.

Nach der Schlacht und nach der Pause - das Stück dauert aufgrund der langsamen Sprechweise knapp vier Stunden - der Abgesang. Tscheplanova erscheint als anklagender Geist des Dareios, der einst das Weltreich aufgebaut und den Persern nie gekannten Wohlstand gebracht hat. Sein hochmütiger Sohn (Johannes Nussbaum) hat alles verspielt, so wie viele selbst ernannte Feldherren, auch die "größten aller Zeiten" viel gewonnen und alles verloren haben und dabei ihre Völker in den Abgrund rissen.

Aischylos will mit seinem 472 v. Chr. entstandenen Drama, dem ältesten erhaltenen Theaterstück der Welt, nicht nur aufzeigen, was Hybris, Ehrgeiz und (männliche) Selbstüberschätzung anrichten können. Er rühmt auch die von den Athenern mühsam errungene Staatsform der Demokratie mit freier Rechtsprechung. Dieser Aspekt, aktueller denn je, scheint den Theaterrockstar Rasche nicht sonderlich zu interessieren.

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