Buchrezension "Great Again": Wie Donald Trump Amerika retten will

BONN · „Great Again – Wie ich Amerika retten werde“: Was ist das für ein Werk, das unter dem Autorennamen Donald J. Trump erscheint? Unser Autor Wolfgang Pichler hat es gelesen.

Amerika, ganz groß: „An erste Stelle“ will er das Land rücken, sagt der neue Präsident.

Amerika, ganz groß: „An erste Stelle“ will er das Land rücken, sagt der neue Präsident.

Foto: picture alliance / dpa

Normalerweise will eine Buchrezension dem Leser sagen, ob er ein konkretes Werk kaufen oder es bleiben lassen soll. Bei diesem Buch ist es nicht ganz so einfach. Der Autor hat (das wird man ja wohl noch sagen dürfen!) irre viel Geld, mal eine Art Castingshow geleitet, neigt dazu, sich für den Größten zu halten und beleidigt jeden, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Somit ist er in seinem Land so eine Art Dieter Bohlen.

Allerdings ist dieser Mann dort ab Freitag auch Herrscher über 322 Millionen Menschen, anderthalb Millionen Soldaten, zehn Flugzeugträger, eine Handvoll Geheimdienste und ein paar Tausend Atomsprengköpfe. Was er denkt (oder zu denken behauptet), ist also nicht ganz unwichtig. Opfern wir zugunsten seines Vermögens von rund 8,7 Milliarden Dollar (Stand Juni 2014 laut Seite 203 des Buches) eben einen eigenen Beitrag im Wert eines Abends beim Pizzagrill und schauen in Donald Trumps Buch mal hinein. Hilft ja nichts, den Kopf in den Sand zu stecken.

Hat Trump dieses Buch selber verfasst? Gegenfrage: Was heißt „verfassen“? Dass ein vielbeschäftigter Oligarch stundenlang selbst an der Tastatur sitzt, kann sein, ist aber eher unwahrscheinlich. Aber es gibt ja genug Leute (auf Seite 199 sind acht namentlich genannt), die dem Protagonisten ein paar Termine lang zuhören und das Ganze dann für ein paar Dollar in Schriftform bringen. Woher kämen sonst all die Bücher der Schauspieler und Fußballer und Fernsehmoderatoren? Mit dieser kapitalistischen Lüge lebt der Buchmarkt seit Jahren recht komfortabel. Sie ist ja auch nur eine halbe: Zwischen den Deckeln solcher Bücher steht immer genau das, was die auf dem Deckel abgebildete Person als ihre Worte sehen will.

Der Schreibstil passt dazu. Das Buch liest sich, wie sich die Reden des Tribuns anhören: Ein einfacher, aber aufrechter und zupackender Kerl aus dem Volk hat die Schnauze voll und spricht endlich aus, was Sache ist. Es ist, als sitze der Leser neben einem Kumpel am Stammtisch, am Lagerfeuer oder auf dem Beifahrersitz. Kurze Sätze, nur selten mit Nebensatz, kaum je länger als drei Zeilen. Viele „Ich weiß“, „Ich habe“, „Ich werde“.

Der etwas hemds-ärmelige Onkel aus der Baubranche kommt nach Hause und beschließt, die snobistische Upper Class seiner Heimatgemeinde aufzumischen. Er sei nicht das Monster, als das ihn seine Gegner hinstellten, sagt er zum Beispiel. Er sei eigentlich ein echt netter Typ – aber ihm platze einfach ständig der Kragen angesichts all der von unfähigen Trotteln herbeigepfuschten Probleme des Vaterlands. Wären solche Leute in seinem Unternehmen, er würde sie feuern.

Solche Töne sind es, die so viele Leute zwischen Roberts County (Texas; 95 Prozent Pro-Trump-Stimmen) und Sachsen (Germany) an diesem Menschen begeistern. Dass er keine intellektuelle Wortdrechselei betreibt. Dass er dem Worte drechselnden Mainstream zeigt, wo der Hammer hängt (obwohl „gegen den Mainstream zu sein“, inzwischen selbst Mainstream ist). Dass er den Edel-Milieus (ob Manhattan, ob Prenzelberg) so richtig Angst macht. Dass einer die Laberbacken aus den Talkshows und Feuilletons verbal vom Hof jagt – allein die Idee! Donnerwetter!

Der Inhalt

Auf Zitate sei verzichtet; es käme eh nur wieder der Vorwurf, die Lügenpresse reiße alles aus dem Zusammenhang. Der lautet, wiederholt in allen 17 Kapiteln plus Vorwort: Amerika liege am Boden. Zu wenig Jobs, weg-gesparte Industrie, zu wenig Bildung, zerbröselnde Infrastruktur, mangelnde Krankenversorgung, das Parlament eine Lachnummer, die Politik ein korrupter Sumpf, das Militär ein zahnloser Tiger, dem Drittweltstaaten und Terroristenbanden auf der Nase herumtanzen.

Es ist die übliche Liste der Krisendiagnostik, die wir auch aus Europa kennen – und oft ertappt sich auch der kritische Leser beim Gedanken „Der Mann hat recht!“. Zudem drischt der Autor nicht die „Leistungs“-Phrasen der Elite, behauptet zum Beispiel nicht, dass Arbeitslose sich bloß zu wenig Mühe gäben oder so.

Die Bevölkerungsgruppen-Beschimpfung gerät gemäßigt: Nicht alle Immigranten (Journalisten, Lehrer, Politiker, Gewerkschafter ...) seien kriminell (Lügner, faul, Idioten, korrupt ...), aber halt zu viele. Er, Donald J. Trump, könne damit aufräumen. Warum? Weil er enorm viel geleistet habe (zum Beispiel ganz viele tolle Häuser gebaut). Weil er kein Politiker sei. Weil er zu reich sei, um sich korrumpieren zu lassen. Weil er knallhart verhandeln könne. Weil er gesunden Menschenverstand besitze.

So etwas nimmt für den Redner ein. Fragen wirft es trotzdem auf. Ein Land zu regieren, ist doch nicht dasselbe wie Häuser zu bauen (unter anderem, weil Menschen keine Stahlträger sind)? Als Nichtpolitiker knallhart zu verhandeln gelernt zu haben – bringt das irgendwas, wenn auf der anderen Seite des Tisches (zum Beispiel in China) dann doch wieder Politiker sitzen? Verhindert es wirklich, korrupt zu werden, wenn einer superreich ist (er könnte ja vielleicht noch superreicher werden wollen)? Kann ein Kapitalist wirklich die vom Kapitalismus angerichteten Probleme lösen?

Und was den „gesunden Menschenverstand“ angeht: „Der ist nur all die Vorurteile, die sich bis zum 18. Lebensjahr im Bewusstsein ausgebildet haben. Wenn man nicht gegen den Verstand verstößt, kann man zu überhaupt nichts kommen.“ Albert Einstein hat das gesagt. Aber vielleicht ist Trump ja klüger als der; könnte ja sein.

Das Buch eines Polit-Seiteneinsteigers – das kennen wir doch?

Das wird man ja wohl noch fragen dürfen: Hat „Great Again“ Ähnlichkeit mit „Mein Kampf“? Jein. Ersteres ist besser geschrieben (was nicht schwer ist). Trumps Kumpelton verleiht „Great Again“ durchaus einen gewissen Schwung (wenn man sich drauf einlassen will, dass dieser Kumpel zu glauben scheint, immer recht zu haben).

Interessante Gemeinsamkeit: Beide Autoren betonen ihre Herkunft aus einer Gruppe, die im Zeitgeist der Zielgruppe Respekt genießt (Hitler, der Frontsoldat; Trump, der Geschäftsmann). Das macht Trump aber nicht zum neuen Hitler. Dass die Edel-Milieus das so oft behaupten, hat Trumps Image in manchen Kreisen eher genützt als geschadet, und sei es aus Trotzgründen.

Fazit: Was der Tribun ab Freitag tun wird, weiß niemand. Um sich mit Ahnungen darüber zu versorgen, ist das Buch nicht nötig; dafür sorgt der Chef weiterhin selbst auf allen Kanälen. Dass es dieses Buch gibt, ist Zeichen für etwas anderes: Trumps Marsch auf Washington war auf jede Zielgruppe jeweils passgenau zugeschnitten.

Für die Volksmassen in den Sporthallen gab's die feurigen Reden. Für die Online-Junkies gibt's die Ultrakurzbotschaften per Twitter. Und ein Buch gibt's eben für die paar Leute, die noch an das gedruckte Wort glauben. Allzu viele scheinen das aber nicht zu sein. Selbst auf der US-Seite des Buchversenders Amazon belegt „Great Again“ (Stand Anfang der Woche) nur Platz 1472 der Verkaufszahlen.

Soll man das also lesen oder nicht? Das müssen Sie selbst entscheiden.

Donald J. Trump: Great Again – Wie ich Amerika retten werde. Plassen, 223 S., 17,99 Euro.

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