Neu im Kino "Aus dem Nichts" Fatih Akins bedingungslos emotionales NSU-Drama

Bonn · Fatih Akins fesselndes NSU-Drama „Aus dem Nichts“ mit einer überragenden Diane Kruger kommt ins Kino. Es ist eine eigenwillige Umsetzung eines brisanten Themas.

"War Ihr Mann religiös? War er Kurde? War er politisch aktiv?“, so lauten die ersten Fragen des Kriminalbeamten an Katja Sekerci (Diane Kruger), deren Mann und deren kleiner Sohn gerade bei einem Nagelbombenanschlag ums Leben gekommen sind. Wenige Tage später steht die Kripo erneut mit einem Durchsuchungsbefehl vor der Tür und durchkämmt das Haus nach Drogen.

Was in Fatih Akins „Aus dem Nichts“ nur eine viertel Kinostunde in Anspruch nimmt, dauerte für die Angehörigen der Opfer der NSU-Morde mehrere Jahre. Jahre, in denen die Ermordeten, deren Familien und Freunde nach kriminellen Verdachtsmomenten durchleuchtet wurden, weil die Ermittler ebenso wie die Presse die Täter alleine in der türkischen Gemeinde suchten und sich einen rechtsradikalen Hintergrund nicht vorstellen wollten. „Aus dem Nichts“ ist den Hinterbliebenen gewidmet, sucht den emotionalen Zugang und nicht die politische Analyse zu seinem Thema. Vieles kommt dabei nicht vor: die Rolle des Verfassungsschutzes, die Hintergründe der Täter, die Reaktion der Medien. Reduktion ist der Schlüssel der Erzählung und nicht der Versuch, dem Sujet mit all seinen Facetten gerecht zu werden.

Der erste Teil des Filmes zeigt den Verlustschmerz, an dem Katja zu zerbrechen droht. Diane Kruger spielt das mit einer rohen Kraft, wie man sie bisher noch in keiner ihrer Rollen gesehen hat. Als das Neonazi-Täterpaar gefasst wird, verwandelt sich das Trauergefühl zu einer Sehnsucht nach gerechter Bestrafung. Der Film wird zum klassischen Justizdrama, in dem die Emotionen der Betroffenen auf die Nüchternheit eines Gerichtsprozesses prallen. Als das Gericht schließlich „in dubio pro reo“ entscheiden muss, tut sich vor Katja eine riesige Kluft zwischen Recht und Gerechtigkeit auf, die sie fortan mit eigenen Racheplänen zu kompensieren versucht.

Bedingungslos emotionales Kino

Dieser letzte Teil ist einerseits als Thriller angelegt und strahlt gleichzeitig in einigen Momenten eine gewisse kontemplative Ruhe aus. Nicht umsonst hat Katja ein Samurai-Tattoo auf dem Körper: in der Rache liegt die Ruhe liegt die Kraft. Das führt zu einem Schlussbild, über das durchaus gestritten werden kann und soll, das aber der Integrität von Film und Figur gerecht wird.

Mit „Aus dem Nichts“ findet Fatih Akin zu jenem starken, bedingungslos emotionalen Kino zurück, mit dem er einst durch Filme wie „Gegen die Wand“ oder „Auf der anderen Seite“ berühmt geworden ist. Man mag dem Film vorwerfen, dass er sein hochpolitisches Thema nicht tief genug auslotet. Aber Akin war nie ein kühler Gesellschaftsanalytiker, sondern ein Filmemacher, der für seine Figuren und das Genrekino brannte.

Mit der blonden, blauäugigen Diane Krüger unterwandert der Film gezielt die Opferstereotypen und findet gleichzeitig eine Schauspielerin, die alle Facetten der Figur von der Szenebraut über die Schmerzensmutter bis zum Racheengel auf eine sehr bodenständige Weise verkörpert. Ihr allein gehört der Film, der sich mit Haut und Haaren der Opferangehörigen-Perspektive verschreibt und seine Haltung mit großer filmemacherischer Klarheit vertritt – ein Standpunkt, der sowohl im Kino als auch im gesellschaftlichen Diskurs seine notwendige Berechtigung hat.

Der Film läuft in Bonn in folgenden Kinos: Kinopolis, Stern, Rex

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