Buchtipp Eindrucksvolle Fotoserie von Sebastião Salgado

Bonn · Der Kölner Taschen-Verlag bringt Sebastião Salgados eindrucksvolle Fotoserie „Serra Pelada“ heraus, die am Rand des Amazonas-Regenwaldes entstand.

So trostlos und beklemmend wie in den Fotos von Sebastião Salgado stellt man sich einen Goldrausch nicht vor. Aber genau das passierte, als 1979 ein Goldfund in Serra Pelada eine Kettenreaktion auslöste. Die ersten Männer, die das Areal am Rand des Amazonas-Regenwaldes in Brasilien erreichten, bildeten eine Kooperative, die den Pionieren das Schürfrecht für zwei mal drei Meter große Parzellen übertrug, erinnert sich Salgado: „Ihnen folgten bald Zehntausende, die als Tagelöhner das Graben übernahmen und die Erde zu den Parzellenbesitzern und ihren Mitinvestoren schleppten.“

Der Ort der Sehnsüchte: Ein 200 Meter breites und tiefes Loch, in dem ein Gewimmel von Tausenden kaum bekleideten Männern nach dem Gold und dem Glück sucht – „Ungefähr die Hälfte von ihnen schleppte schwere Säcke über breite Holzleitern nach oben, während die anderen über schlammige Abhänge zurück in den Schlund der Grube rutschte“, schildert Salgado seine ersten Eindrücke – die er dann auch mit der Kamera festhielt. Der Taschen-Verlag hat das Serra Pelada -Portfolio nun unter dem Titel „Gold“ in exzellenter Schwarz-Weiß-Qualität herausgebracht.

Es geht um Gold, aber die vorherrschenden Farben sind Schwarz und Weiß. Grobkörnig fängt Salgado die Szenerien ein, die in ihrem archaischen Gewimmel und Gewusel halbnackter Männer am ehesten an Höllendarstellungen von Hieronymus Bosch erinnern.

Nach einer bestimmten Ordnung setzen sich die Tagelöhner in Bewegung, bilden Ketten, bewegen eng an eng Tonnen von Erde in der Hoffnung auf ein paar Krümel Gold. Diese Bilder drücken – hochästhetisch und künstlerisch entrückt – das pure Elend aus, lassen die Gefahr nur erahnen, die diese Männer tagtäglich eingehen.

Mitte Juni dieses Jahres hat Salgadio den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen – als erster Fotograf. „Mit seinem fotografischen Werk, das in zahlreichen Ausstellungen und Büchern veröffentlicht ist, nimmt er die durch Kriege oder Klimakatastrophen entwurzelten Menschen genauso in den Fokus wie jene, die traditionell in ihrer natürlichen Umwelt verwurzelt sind. Dadurch gelingt es Salgado, Menschen weltweit für das Schicksal von Arbeitern und Migranten und für die Lebensbedingungen indigener Völker zu sensibilisieren.“

Eine Hommage an die Größe der Natur

So begründete die Jury des Börsenvereins die Verleihung. Und weiter: „Indem der Fotograf seine aufrüttelnden, konsequent in schwarz-weiß gehaltenen Bilder als 'Hommage an die Größe der Natur' beschreibt und die geschändete Erde ebenso sichtbar macht wie ihre fragile Schönheit, gibt Salgado uns die Chance, die Erde als das zu begreifen, was sie ist: als einen Lebensraum, der uns nicht allein gehört und den es unbedingt zu bewahren gilt.“

Salgado wurde 1944 geboren, wuchs auf einer riesigen Rinderfarm im Regenwald Brasiliens auf. Ab 1971 arbeitete er als Ökonom bei der „International Coffee Organization“, für die er Entwicklungshilfeprojekte in Afrika betreute. Hier entdeckte er seine Leidenschaft für die Fotografie und entschied sich 1973, seinen Beruf aufzugeben und ganz als Fotograf zu arbeiten. Er fotografierte für die Agenturen Sygma, Gamma und Magnum, gründete 1994 mit seiner Frau Léa Wanick Salgado die Agentur Amazonas images.

Wer nur das Goldgewusel in der Totalen sieht, das auf beeindruckenden Panoramaseiten entfaltet, könnte meinen, Salgado habe das Ganze mit großer – auch innerer – Distanz betrachtet. Interessant wird es, wenn Salgado mit in die Grube steigt und unzählige Arbeiter mit ihren Lasten porträtiert.

Das geht unter die Haut und offenbart ein menschliches Drama, das sich da im Amazonasgebiet abspielt. Man blickt in faszinierende, aber auch stumpfe, resignierte Gesichter, sieht Körper und Kleidungsstücke, die von Schlamm und Schweiß gezeichnet sind, Individuen, die in langen Prozessionen zum Teil der Masse der Goldsucher werden. Schwarz-Weiß steigert diese Optik.

1986 durfte Salgado nach mehreren Anläufen endlich nach Serra Pelada – da waren ihm etliche Journalisten und Fotoreporter zuvorgekommen. Salgado setzte sich trotzdem mit seinen Schwarz-Weiß-Bildern durch. Peter Howe, Bildredakteur des New York Times Magazine, nannte das Serra Pelada-Portfolio „ein biblisches Epos“.

Sebastião Salgado: Gold. Taschen-Verlag, 208 S., 50 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort