Glosse zur Bundestagswahl Über Sinn und Unsinn von Wahlplakaten

Meinung · Der Erkenntnis- und Unterhaltungswert der Polit-Plakate fällt mau aus. Nur die FDP vermittelt den Anschein, als ginge es um die Wahl zum "Bravo-Boy" des Jahres, schreibt unsere Autorin.

 Kreativ sind bestenfalls die optischen Verbesserungen einzelner Wahlplakate.

Kreativ sind bestenfalls die optischen Verbesserungen einzelner Wahlplakate.

Foto: dpa

Ideen! Zukunft! Familie! Umwelt! Da lässt sich nichts gegen einwenden. Stimmt. Brauchen wir alles. Von jeder Straßenlaterne wird der Bürger deshalb daran erinnert. Die Plakate der Bundestagswahl folgen vor den Augen der optisch leidgeprüften Nordrhein-Westfalen fast nahtlos den Werbe-Pappen der Landtagswahl. Kein Wunder, dass selbst der politisch engagierte Bürger sich irgendwann nach einem schlichten grauen Laternenmast sehnt – ganz ohne Mutti und Co.

Schließlich fällt der Erkenntnis- und Unterhaltungswert der diesjährigen Plakataktion fast so dünn aus wie das müde Kanzlerduell im TV. Wer fordert denn jetzt gleich noch was, und warum ist das bloß so schlecht auseinanderzuhalten?

Die Union nennt ihre eigene Kampagne „fedidwgugl“, am liebsten mit dem schickem Hashtag – „#fedidwgugl“. Offenbar herrscht im Adenauerhaus die Wahnvorstellung, dass die Jugend alles liebt, was nach Internet aussieht. Schade, dass der Slogan „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ kaum sinnreicher ist als seine skurrile Initialen-Folge.

Der nette Herr Schulz von der örtlichen Sparkasse

Einziger Hingucker der Union: Ein Werbeplakat für die Briefwahl, auf dem ein Edmund-Stoiber-Double von seinen als Indianer verkleideten Enkeln an einen Baum gefesselt wurde – „Falls am Wahltag etwas dazwischen kommt“. Auf den zweiten Blick ist er's dann aber doch nicht, der Stoiber.

Die SPD gönnt den Betrachtern nicht einmal diesen kurzen Anflug von Spaß. Der Martin blickt mit derart treuherzigem Ernst von den Plakaten mit dem knallroten Logo, dass man gleich zu ihm in die örtliche Sparkasse laufen und das lange aufgeschobene Beratungsgespräch über den Riester-Vertrag hinter sich bringen möchte.

Das ist auch dringend nötig. Denn irgendwer muss ja die „gute Rente statt Ackern bis 70“ bezahlen, die die SPD – und auch die Kanzlerin – versprechen. Aber von solchen Randaspekten wollen sich die Parteien die schöne Wahlkampfstimmung verständlicherweise nicht vermiesen lassen. Warum nicht gleich: „Sonne statt Nieselregen“, „Kuchen statt Graubrot“ oder „Leben statt Hausputz“. Es ist ja so viel möglich in unserem „Didwgugl“. Wenn es nur die Wähler glauben.

Gleichmütige Eintönigkeit in Magenta

Bleiben noch die kleineren Parteien. Deren Vertreter beschimpfen sich zwar lebhafter im Fernsehen. Auf den Plakaten herrscht dagegen gleichmütige Eintönigkeit. FDP und Grüne teilen sich für ihre Allgemeinplätze diesmal die Telekom-Farbe Magenta. „Mensch. Natur“ wirbt – der Hennefer FDP-Bundestagskandidat. Gehör te das Thema nicht mal den anderen? Egal.

Den Grünen in Bonn fiel nur noch der 80er-Jahre-Spruch ein, man habe die Erde von den Kindern nur geborgt. Klingt nostalgisch, nach „Atomkraft, nein Danke“, aber dieses Thema hat den Grünen die Kanzlerin ja längst vor der Nase weggeschnappt.

Die FDP lässt die Vergangenheit dagegen aus nachvollziehbaren Gründen ruhen und setzt auf alles, was sich irgendwie nach Zukunft anhört. „Digital first“ zum Beispiel. Und „Bedenken second“. Wer trotzdem Bedenken hegt, wird von Christian „Bambi“ Lindners bedeutungsschwangerem Weltrettungsblick zur Wahlurne hypnotisiert. Und nein, am 24. September geht es nicht um das Votum zum Bravo-Boy des Jahres. Nur zur Sicherheit.

Die Altherrenfantasien der AfD

Allein die Krawallpartei AfD schafft es, auf ihren Plakaten ungeniert zu zeigen, welchen Unsinn sie propagiert. Nackte Hintern im Bikini als Kontrast zur Burka? Diese gauländischen Altherrenfantasien schließen zumindest das Argument nach der Wahl aus, man habe nicht gewusst, was das eigentlich für Leute sind.

Da beruhigt es das geplagte Wählerauge schon fast, dass die Linke sich offenbar mit der Bastelschere aus Zeitungen nach Art „Erpresserbrief“ ihre Plakat-Collagen zusammengestellt hat. Die Inhalte? Natur! Kinder! Frieden!

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