Ein Fest der Sinne Tizian-Ausstellung in Frankfurt

Frankfurt/Main · Das Städel in der Main-Metropole zeigt Bilder die erste Überblicksausstellung über die venezianische Renaissance in Deutschland.

 „Die Madonna mit dem Kaninchen“, um 1530, Gemälde von Tizian. FOTO: © BPK/ RMN – GRAND PALAIS, THIERRY LE MAGE

„Die Madonna mit dem Kaninchen“, um 1530, Gemälde von Tizian. FOTO: © BPK/ RMN – GRAND PALAIS, THIERRY LE MAGE

Foto: bpk | RMN - Grand Palais | Thier

Es ist ein 1530 gemaltes Madonnenbild, das sicher zu einem der Publikumsmagneten dieser Ausstellung wird. Zu sehen sind ein äußerst lebendiges Jesuskind und zwei elegante Renaissancedamen namens Maria und Katharina auf der grünen Wiese mit Picknickkorb. Das Bild, eine Leihgabe aus dem Louvre, ist von Tizian gemalt und fasziniert nicht nur durch die unmittelbare Lebensnähe und den kühnen diagonalen Bildaufbau oder die Tiefenperspektive, sondern ganz bestimmt auch wegen eines kleinen schneeweißen Kaninchens, das Maria auf ihren weit ausgebreiteten blauen Mantel gesetzt hat und dem Jesuskind entgegenhält.

Alles, was die venezianische Renaissance ausmacht, hat sich hier in natürlicher „Anmut“ eingefunden und ist zugleich reich mit Symbolik befrachtet. Der Auftraggeber Federico II Gonzaga, Herzog von Mantua, erscheint als arkadischer Hirte im Mittelgrund und wird in der Form des „guten Hirten“ zu einem Lob der guten Regierung. Das weiße Kaninchen gilt als Symbol der unbefleckten Empfängnis. Der Apfel und die Trauben im „Picknick“- Korb erinnern den frommen Betrachter an Adam und Eva, die Weintrauben an die Eucharistie. Auf der Wiese wachsen Erdbeeren, Symbol für das vergossene Blut Christi, aber auch für Demut und Bescheidenheit.

Das Bild selbst spiegelt die „Sacra Conversazione“, das „Heilige Gespräch“, das im Venedig des 16. Jahrhunderts mit anekdotischer Fabulierfreude die Brücke zwischen christlicher Verkündigung und irdischer Lebensfreude schlägt.

Hier tritt das Licht in die Kunst

Und als ein weiteres Novum tritt auf diesem querformatigen Andachtsbild das Licht in die Kunst, wiedergegeben in brennenden Goldgelbtönen eines Sonnenauf- oder -untergangs über einer weiten grünen Landschaft.

Vielleicht auch so etwas wie ein Sehnsuchtsort für die auf der Lagune so eng zusammenlebenden Menschen oder gar für den Maler selbst, der aus dem kleinen Dorf Pieve di Cadore nach Venedig gekommen war, um bei Giovanni Bellini Malerei zu studieren.

In der derzeitigen Ausstellung „Tizian und die Renaissance in Venedig“ sind über 100 Meisterwerke der venezianischen Malerei zu sehen, darunter 20 Bilder (16 Gemälde, vier Zeichnungen), von denen man mit Sicherheit weiß, dass sie von Tizian selbst sind, also keine Schüler- oder Werkstattarbeiten. Initialzündung war vielleicht das schon so früh vollendete jugendliche Selbstbildnis Tizians von 1510 aus dem Städel selbst.

Es ist die erste Überblicksausstellung über die venezianische Renaissance in Deutschland, und im Kreis von Veronese, Tintoretto, Lorenzo Lotto oder Giovanni Bellini ist so ziemlich alles versammelt, was dazugehört, bis hin zu den Auswirkungen auf spätere Jahrhunderte, wie auf El Greco und sogar in einem Ausgriff in die Gegenwart zu Thomas Struth. 80 Leihgaben stammen aus 60 deutschen und internationalen Museen.

Tizian (1488-1576) ist mit einer Schaffenszeit von rund 60 Jahren die zentrale Malerfigur im Venedig des 16. Jahrhunderts. Von Anfang an bis heute erfreute sich der Künstler, der in europäischer Breite für Fürsten, Päpste und Kaiser gearbeitet hat, ungebrochen hoher Wertschätzung. Von ihm stammen Porträts mit psychologischem Tiefgang wie die Darstellung des amtsmüden disziplinierten Dogen Francesco Venier oder der unbekümmerten zweijährigen Clarice Strozzi mit blondem Lockenkopf auf einem fröhlichen Kinderbild. Eine weite Spanne von Nymphen in Arkadien oder Heiligen in der Wildnis, von Idealbildern schöner Frauen oder einer bewegenden Ecce-Homo-Darstellung.

Der sichtbare Pinselstrich wird immer bedeutsamer

Der einzigartige Stil liegt im „Kolorito“, im rein Malerischen, bei dem ein fein nuancierter Farbauftrag die Bildflächen belebt und die harten Konturen zurücktreten. Mit zunehmendem Lebensalter des Malers spricht der sichtbare Pinselstrich immer mehr mit.

Wie soll man diese Ausstellung betrachten, als Fest der Sinne, als Begegnung mit den in Bildern erzählten Geschichten oder als vollendete Malerei? Am besten alles zusammen.

Bis zum 26. Mai., Di,Mi,Sa, So 10 -18 Uhr, Do und Fr 10 -21 Uhr, Schaumainkai 63, Kartenvorverkauf unter shop.staedelmuseum.de, Katalog 39,90 Euro

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