Kultur in Köln Tanztheater ist himmlisch und irdisch zugleich

Köln · Das Alvin Ailey American Dance Theater begeistert in der Kölner Philharmonie mit zwei Deutschlandpremieren und Klassikern aus dem Repertoire.

 Bewegungen fließen wie Wasser: Die Tänzer von Alvin Aileys Compagnie bei der Premiere ihres Gastspiels in Köln. FOTO: MEISENBERG

Bewegungen fließen wie Wasser: Die Tänzer von Alvin Aileys Compagnie bei der Premiere ihres Gastspiels in Köln. FOTO: MEISENBERG

Foto: Günther Meisenberg

Am Ende stehen sie alle. Die Zuschauer in der Kölner Philharmonie, die den 18 Männern und Frauen, die sich auf der Bühne vor ihnen verneigen, nicht genug zujubeln können. Kein Wunder. Das Alvin Ailey American Dance Theater ist nicht nur die international erfolgreichste Tanzcompagnie der Vereinigten Staaten, sondern kann in der Rheinmetropole auch auf ein Stammpublikum zählen. Im Rahmen des „Kölner Sommerfestivals“ traten die New Yorker erstmals 1992 in der Domstadt auf, jetzt gastieren sie hier zum siebten Mal. Bis Sonntag geben sie, in alternierenden Besetzungen, noch insgesamt sechs Vorstellungen.

Bei der Premiere Mittwochabend überzeugt das Programm durch die gelungene Mischung und durch die immense Bandbreite. Mit „Four Corners“ (2013) und „Exodus“ (2015) sind gleich zwei Deutschlandpremieren dabei, das Solostück „Takedeme“ (1999) ist längst ein Klassiker und „Revelations“ (1960) eine Art getanztes Glaubensbekenntnis von Compagniegründer Alvin Ailey. In seiner Choreografie „Four Corners“ vermischt Ronald K. Brown den Mythos der vier Engel, die an den vier Ecken der Welt die vier Winde festhalten, mit Modern Dance, der Tanztradition Westafrikas und der hypnotischen Musik von Carl Hancock Rux. Die Tänzer in ihren Drehungen und Spiegelungen wirken so fließend wie Wasser. Aber ihre nackten Füße vermessen auch den Boden, der sie trägt, sie tasten ihn gleichsam ab, mit ihren Hüften erobern sie sich diagonal den Raum. In Spiralen finden die Engel und ihre Begleiter immer wieder zusammen. Himmlisch und irdisch zugleich.

Zuckende Zombies in Straßenkleidung

„Exodus“ von Rennie Harris kommt dagegen mit verstörender Düsterkeit daher. Wie tot liegen die Tänzer am Boden, werden von einem Erlöser zum Leben erweckt. Zuckende Zombies in Straßenkleidung, die erst mühsam wieder lernen müssen, sich zu bewegen. Shakespeare-Zitate, Schnipsel eines Nina Simone-Songs, „Swing Low Sweet Chariot” und Housemusik, gepaart mit getanzten Stilelementen des Hip-Hop begleiten den Weg zu Loslösung und Erleuchtung. Es geht ums Sterben und um Wiederauferstehung. Aus Niedergeworfenen werden starke Kämpfer, die nach und nach die weiße Kleidung der Reinen anlegen. Ein Fest der Kraft, der Bewegung und auch der Hoffnung. Am Ende jedoch fällt ein Schuss. Die Erlösung war nur ein Traum.

„Takademe“ (Robert Battle) dauert nur fünf Minuten. Die aber bieten nach „Exodus“ willkommene Erleichterung. Ein Stück, das von seinem Solisten unbedingte Virtuosität erfordert, aber zugleich auch durch seinen Humor bezaubert. Die Umsetzung der rhythmisch immer wieder neu zusammengesetzten Silben „Ta“, Ka“, „De“ und „Me“ kreiert statueske Bilder, flirrende Sprünge. „Revelations“ setzt ein Siegel unter all das. Ein Vermächtnis, das mit seinen Gospeln und Ritualen, seinen Szenen von Taufe, Tanz und Gottesdienst, einen nostalgischen Zauber verströmt. Das Schlussbild – die Frauen mit gelben Rüschenkleidern und gelben Rüschenhüten, die Männer in gelbseidenen Westen und schwarzen Hosen – und die Klänge von „Rocka my soul in the bosom of Abraham“ trägt man gerne mit sich nach Hause.

Bis Sonntag, 13. August, Philharmonie Köln. Do, Fr 20 Uhr, Sa 15 und 20 Uhr, So 14 und 20 Uhr

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