Kunst in Bonn So ist die neue Ausstellung in der Fabrik 45

Bonn · Kunstwerke und wissenschaftliche Objekte treffen in der Fabrik 45 aufeinander. Teil der Bonner Enterventionale, ein interdisziplinärer Parcours durch die Stadt

Schrift auf dem Kopf: Gall‘scher Schädel, Mitte 19. Jahrhundert.

Schrift auf dem Kopf: Gall‘scher Schädel, Mitte 19. Jahrhundert.

Foto: Thomas Kliemann

Künstler, die wie Feldforscher auf akribische Recherchetour gehen, treffen auf wissenschaftliche Exponate, die jenseits der Wissenschafts-Sphäre, im Kunstkontext, eine ganz neue Anmutung bekommen. So wirkt der „Gall’sche Schädel“ aus der Mitte des 19. Jahrhunderts  durch seine Beschriftung wie ein skripturales Kunstwerk. Währenddessen analysiert und skizziert das wandfüllende Schaubild „Wie Phoenix aus der Asche“ der Künstlerin Anett Frontzek mit einer Grafik und Karteikästen die für Menschen, Tiere und Pflanzen durch den künstlich angelegten Phoenix-See bei Dortmund neu entstandene Lebenssituation.

Die Arbeiten von der Zeichnung und dem Gemälde bis zum ethnologischen Exponat und anatomischen Präparat sind in der spannenden Ausstellung „Die Ordnung der Dinge. Vom Graph zum System“ in der Fabrik 45 zu sehen.

In der Schau kommt es zu einer faszinierenden Begegnung zwischen  Werken von Künstlern wie Anthony DiPaola, Nora Schattauer oder Heather Sheehan mit Objekten aus den Sammlungen Bonner Unimuseen von der Abteilung für Mongolistik und Tibetstudien bis zur Anatomischen Sammlung und dem Ägyptischen Museum. Vertreten sind auch Exponate aus der Artothek im Bonner Kunstverein: etwa eine Schautafel von Joseph Beuys, Sigmar Polkes Siebdruck  „Wochenendhaus“ oder Wasertürme von Bernd und Hilla Becher.

Die Fabrik als Kunst- und Wunderkammer

Die Fabrik 45 wird zur Kunst- und Wunderkammer. Gleich im Entree  begeistern Vitrinen voller farbenprächtiger Mineralien wie Schwefel oder Flourit, die neben ganz frühen Fotos von Eiskristallen liegen. Ähnliche Strukturen finden sich in „Chronotope # 153“ (2020), einem großformatigen Bild, das der Bonner Maler Esteban Sánchez mit Tinte, Kohle, Sanguine, Graphit und Blattgold geschaffen hat. Im Separee läuft im  Film   Samuel Becketts  Inszenierung „The Square“ für vier Schauspieler, Beleuchtung und Schlagzeug. Assoziativ geht es weiter durch die Fabrik 45: Sprachliche, visuelle, gestische, geologische, religiöse und biologische Ordnungen werden  präsentiert. Nicht alles erschließt sich, etliche Beiträgre wirken arb beliebig. Die dennoch anregende Schau ist Teil eines interdisziplinären Parcours durch Bonn, den die „Museumsstudien Bonn“ (Kunsthistorisches Institut der Uni) vorbereitet haben und unter dem Titel „Enterventionale#2020“ an 20 Stationen der Stadt  inszenieren.

Louisa Clement im U-Bahnhof

So trifft man im U-Bahnhof Universität/Markt auf „Figure Poses“ von Louisa Clement, im Universitätsmuseum auf Dorothee von Windheims „Augensteine“ und im Botanischen Garten auf „Elective Affinity“ von Ilka Helmig. Hannah Schneider, Peter Stohrer, Klaus Fritze  und Evamaria Schaller sind an verschiedenen Stellen im LVR Landesmuseum mit Arbeiten vertreten. Maria Eichhorn ist mit ihren Dokumenten aus dem Rose Valland Institut im Auditorium des Kunstmuseums zu sehen.

Das Ägyptische Museum der Universität zeigt Arbeiten aus der Siebdruckserie „Ur End Standort“ von A.R. Penck (1972). Das Museum Alexander Koenig hat den kolumbianischen Künstler Roberto Uribe-Castro im Lichthof zu Gast, dessen Installationen auch in den Türmen des kurfürstlichen Schlosses zu sehen sind. In den urigen  unterirdischen Räumen des „tiefkellers“ in der Prinz-Albrecht-Straße 35 trifft der Besucher auf Arbeiten der Kellerchefinnen Kathrin Graf und Bettina Marx sowie den Gästen Lana Murdochy und  Younwon Sohn. Zu sehen ist eine „Assemblage aus Fine Dust Drinks, Eistorte, Ingwer-Schnaps, Gold, Löffeln, Sound, Bewegung und Rettungsdecken“, wie Marx und Graf ankündigen (die Installation wird am 15. Februar, 18 Uhr, eröffnet).

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