Konzerte in Bonn Sergei Nakariakov spielt mit Beethoven Orchester

Bonn · Der Trompeter Sergei Nakariakov begeistert zusamen mit dem Beethoven Orchester. Dabei nutzte der Musiker eine bestimnte Atemtechnik, die für die Stücke von Komponist Jörg Widmann benötigt wird.

 Strahlende Interpretin: Katja Riemann mit dem Beethoven Orchester unter Generalmusikdirektor Dirk Kaftan.

Strahlende Interpretin: Katja Riemann mit dem Beethoven Orchester unter Generalmusikdirektor Dirk Kaftan.

Foto: FELIX VON HAGEN

Mehr als ein Glas Wasser und einen Strohhalm braucht man nicht, um in einem kleinen Selbstversuch herauszufinden, wie zum Beispiel Trompeter die Technik der Zirkularatmung bewerkstelligen. Man bläst in den Strohhalm hinein, dass es ordentlich blubbert. Wenn die Luft aus der Lunge knapp zu werden droht, kappt man mit dem Gaumensegel die Verbindung zwischen Luftröhre und Mund und presst die verbleibende Luft aus der Mundhöhle weiter durch den Halm. Gleichzeitig, während es im Glas weiter sprudelt, holt man mit der Nase erneut Luft und füllt das Luftreservoir im Mund wieder auf.

Diese Technik ermöglicht die Bildung eines permanenten Luftstroms, was für das Trompetenkonzert des Komponisten Jörg Widmann nicht nur nützlich ist, sondern ausdrücklich gefordert wird. Der russische Trompetenvirtuose Sergei Nakariakov beherrscht die Spieltechnik der Zirkularatmung perfekt, was Widmann wusste, als er 2002 sein Konzert für ihn komponierte. Widmann wusste ebenfalls, dass er auch sonst wenig Rücksicht auf den Solisten nehmen musste, dem er das Werk auf den Leib schrieb.

Dass die Musik Nakariakov bis heute passt wie ein maßgeschneiderter Anzug, konnte das Publikum beim jüngsten Freitagskonzert des Beethoven Orchesters in der ausverkauften Bonner Oper erleben. Wenn Nakariakov nach dem Mikro-Orchestervorspiel beginnt, in einem irrwitzigen Tempo Sechzehntel-Staccati zu spielen, hört er damit lange nicht mehr auf, bis nach 65 Takten permanenter Zirkularatmung endlich der erste ausgehaltene Ton ihm eine kleine Ruhepause vergönnt. Nakariakov spielte diesen Part mit ausgesprochener Coolness, seine Gesichtszüge verrieten nicht die Spur von Anstrengung.

Widmanns Konzert besteht aus nur einem Satz, der seinen Reiz vor allem in der unglaublichen Motorik entwickelt, die nicht nur den Solisten immer wieder neu erfasst, sondern auf das gesamte Orchester übergreift. Mal fordert der Solist den Konzertmeister heraus, mal einen Flötisten oder das Schlagwerk. Es gibt in dem Stück charmante Pizzicato-Effekte zwischen den links und rechts vom Dirigenten platzierten ersten und zweiten Geigen, die dann von Bratschen und Celli weitergeführt werden, und hübsche instrumentale Effekte mehr, die von den Musikern des Beethoven Orchesters brillant umgesetzt wurden. Dirk Kaftan steuerte seine Musiker dabei sehr souverän durch das schäumende Meer der Sechzehntelnoten.

Schiere Virtuosität

Doch Nakariakov war nicht nur für das eine gute Viertelstunde dauernde Widmann-Werk nach Bonn gekommen, sondern spielte darüber hinaus noch den Solopart in Wolfgang Amadeus Mozarts Konzert für Horn und Orchester in E-Dur KV 495. Für den Solopart wechselte er zum Flügelhorn, dessen weicher, einschmeichelnder Ton wunderbar zu dem Stück passte. Beeindruckte Nakariakov im Widmann-Stück durch schiere Virtuosität, begeisterte er hier mit seelenvollen Phrasen und einem charaktervollen Klang. Der Applaus war begeistert.

Die Trompete hatte auch schon beim ersten Stück des Konzertabends ein wichtiges Wort mitzureden, da allerdings gespielt von Gregor Leczkowski aus den Reihen des Beethoven Orchesters. In Charles Ives' „The Unanswered Question“ ist es ihre Aufgabe, die Frage zu stellen. Man hörte sie vom Rang herab klingen, während die Flötengruppe im Orchester eher schroff nach Antworten suchte und die Streicher das atmosphärisch gespielte Frage-Antwort-Spiel mit leisen, choralartigen Akkordfolgen in der Schwebe hielten.

Die Trompete ist zwar ein heroisches Instrument, doch nicht sie stand Pate für das Motto des Konzertes, das „Heldenleben“ lautete. Dafür stand Richard Strauss' große sinfonische Dichtung gleichen Namens, die das Orchester nach der Pause spielte. Es ist sozusagen Strauss' „Eroica“, nur dass er, anders als Beethoven es tat, sich selbst als Gegenstand des sinfonischen Heldenepos sah.

Das etwa 50-minütige Riesenwerk fand in Kaftan und dem Beethoven Orchester ausgezeichnete Interpreten. Hier stimmte alles: der mit schwungvoller Geste vorgestellte „Held“, die meckernden Widersacher und vor allem „Des Helden Gefährtin“, die in Gestalt der von Konzertmeister Mikhail Ovrutsky mit herrlichem Ton und bis ins Pianissimo sehr gesanglich phrasierten Solostimme ins Rampenlicht rückte. Packend auch das polyphone Schlachtgetümmel in „Des Helden Walstatt“ und bewegend der Schluss, „Des Helden Weltflucht und Vollendung“.

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