Selbst ist die Frau

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Dieses Jahr steht die Berlinale-Retrospektive im Zeichen der Me-Too-Welle. Frauen-Power ist angesagt, aber nicht mit Blick aufs Internationale. Sondern, in Engführung, auf Deutschland beschränkt, von der DDR und der Bundesrepublik bis hin zum Deutschland nach der Wiedervereinigung. Gern hätte man Filme von Frauen aus aller Welt gesehen, aber es stimmt schon: Die geografische Beschränkung erlaubt einen genaueren Blick, eine gründlichere Analyse des Themas in Bezug auf ein Land – auch wenn es lange Zeit ein geteiltes war und jetzt wieder alles ganz anders aussieht: Aber auch das spiegelt die Retrospektive, ganz abgesehen von ihrem Frauenthema. Der Titel, der heute wie ein Slogan aus den 70er Jahren klingt, gibt die Richtung vor: „Selbstbestimmt. Perspektiven von Filmemacherinnen“. Doch dass auf die Selbstbestimmung eigens hingewiesen werden muss, besagt, dass sie nicht selbstverständlich war. In der DDR zum Beispiel war den Regisseurinnen lange die Sparte Kinderfilm vorbehalten und der NeueDeutsche Film wurde fast komplett von Männern dominiert: Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Michael Verhoeven, Werner Herzog, Klaus Lemke, Wim Wenders und, und, und. Regisseurinnen wurden gewöhnlich nicht mit derselben Ehrerbietung betrachtet. Oder sie gerieten schlicht in Vergessenheit. Zum Beispiel May Spils, die 1968 mit „Zur Sache, Schätzchen“ den erfolgreichsten deutschen Spielfilm des Jahres in die Kinos brachte. Bei aller Begeisterung für die Unterhaltsamkeit des Films wurde übersehen, wie Spils sehr sensibel populäre und politische Impulse mit ihrer Story verwob.

Deren Hauptfigur war übrigens ein Mann, gespielt von Werner Enke, dessen Darstellung eines „Gammlers“ ihn damals zum „bedeutendsten Vertreter eines Pop-Lebensgefühls“ (Georg Seeßlen) machte. In zehn Tagen (vom 7. bis zum 17. Februar) zeigt die Retrospektive 26 Spiel- und Dokumentarfilme sowie rund 20 kurze und mittellange Filme, die in den Jahren 1968 bis 1999 entstanden sind und von Frauen inszeniert wurden, darunter Elfi Mikesch (Ich denke oft an Hawaii, 1978), Helke Sander (Die allseitig reduzierte Persönlichkeit, 1978), Jeanine Meerapfel (Malou, 1980), Margarethe von Trotta (Die bleierne Zeit, 1981), Ulrike Ottinger (Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse, 1984), Doris Dörrie (Im Innern des Wals, 1985), Monica Treut (Female Misbehavior, 1992) und Katja von Garnier (Bandits, 1997). Die Filmauswahl reflektiere, so heisst es vonseiten der Kuratoren, „den Umgang mit dem Körper, Raum und gesellschaftlichen Beziehungen, mit Alltag und Arbeit.“ Die Vielfalt der Genres reicht vom kurzen Animationsfilm über essayistische und experimentelle Werke bis hin zu Spiel- und Dokumentarfilmen. Dabei gehen viele der Filmemacherinnen von ihrer persönlichen Geschichte aus, und welch Zufall, eine Reihe von ihnen haben Berlin zum Schauplatz.

Ein Heimspiel für die Berlinale also. Viele Werke lassen sich auch als historische Dokumente lesen, als Beleg für den langen Weg, den die Emanzipation nicht nur im Film zurücklegte. Als etwa Ula Stöckl 1962 am Ulmer Institut für Filmgestaltung studierte, das von Alexander Kluge und Edgar Reitz geleitet wurde, war sie im ersten Studienjahr die einzige Frau. Heute sagt sie: „Welche junge Frau weiß heute, dass man in den 1970er Jahren in Westdeutschland eine Erlaubnis vom Ehemann brauchte, um ein Konto zu eröffnen? Oder wie es war, von einem Beruf ausgeschlossen zu sein, von dem gesagt wurde, er wäre nur von Männern zu bewältigen?“ Ula Stöckls Abschlussfilm „Neun Leben hat die Katze“ (1968) wird ausschließlich aus der Perspektive von Frauen erzählt, denen die Dominanz der Männer jeweils bewusst ist, und die auf unterschiedliche Weise darunter leiden.

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