Kabarett Sein Job ist es, gegen Windmühlen zu kämpfen

Bonn · Eigentlich fühlt sich Wilfried Schmickler als Anwalt des kleinen Mannes. Doch mittlerweile machen ihm seine seine Mandanten Angst: Ein Besuch bei seinem jüngsten Auftritt im Beueler Pantheon.

„So geht das nicht“: Wilfried Schmickler.

„So geht das nicht“: Wilfried Schmickler.

Foto: Thomas Kölsch

Am Ende ist der Mensch. Irrelevant, nebensächlich, ein nachträglicher Gedanke. Der Homo sapiens mit seiner Moral und seinen Werten spielt doch in der Weltgesellschaft längst keine Rolle mehr. Andere Aspekte sind viel wichtiger. Das Geld zum Beispiel. Und die Wirtschaft. Und Autos, Waffen, Glaube und das große Fressen. Man muss schließlich Prioritäten setzen, auch wenn dabei die Menschlichkeit verloren geht.

So ist der Lauf der Dinge, und nur wenige versuchen, den Kampf gegen die Windmühlen aufzunehmen und die Dinge zumindest beim Namen zu nennen. Wilfried Schmickler gehört dazu. Der wortgewaltige Kölner gehört zu jenen wenigen verbliebenen Urgesteinen des deutschen Kabaretts, die so lange auf den Putz hauen, bis dieser abbröckelt und das Gerüst von Lügen offenlegt, auf dem die Gesellschaft aufgebaut ist. Im Pantheon hat der 62-Jährige einmal mehr den Vorschlaghammer herausgeholt, ihn in weitem Bogen geschwungen – und mit verbaler Wucht zumindest ein paar Dellen in den emotionalen Panzerungen des Publikums hinterlassen.

Schmickler hält sich in seinen Attacken nur selten mit Detailfragen auf. Zu groß ist die Bandbreite der Themen, die er sich vornehmen will: Digitalisierung und Spionage-Barbie, Kulturerbe Karneval (warum auch immer) und zündelnde Kleingeister, die Gefahr der Köttbullarisierung durch schwedische Möbelhauskonzerne und der immer stärker werdende „Triumphzug der maulenden Minderheit“. Dass diese es immerhin geschafft hat, Donald Trump ins Weiße Haus zu hieven, und auch hinter Figuren wie Marine Le Pen und Geert Wilders steht, vielleicht also doch größer ist als gedacht – dieser Gedanke wird außen vor gelassen. Wäre auch zu deprimierend. Es ist schon traurig genug, dass Schmickler, immer ein williger Anwalt des kleinen Mannes, inzwischen gegen dessen verbale Notdurft und die pyromanischen Tendenzen ansingen muss. Denn sobald etwas Fremdartiges eindringt in die immer enger und unflexibler werdende Wohlfühlzone, lodern Hass und Zorn auf. „So geht das ja nicht“, beschwert sich dann der Tollwutbürger mit dem Scheuklappenblick, ohne sich um das zu scheren, was anderenorts geschieht. „Das Problem wird ja erst zu einem Problem, wenn es direkt vor der eigenen Haustür existiert – und genau das ist das eigentliche Problem“, sagt Schmickler. Was weit weg ist, interessiert niemanden. Das gilt für Katastrophen und Kriege ebenso wie für deren Opfer. Insofern muss die Prioritätenliste vielleicht überarbeitet werden: Am Ende ist der Fremde. Und am Anfang das Ego.

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