Literarisches Porträt Robert Habecks vermischte Texte

Bonn · Die literarische Vergangenheit des neuen Grünen-Vorsitzenden deck ganz unterschiedliche literarische Genres vom Krimi über den Roman bis zum Sachbuch ab.

Er ist der Mann, der keine Krawatte um seinen Hals zwirbelt. Als Philosoph glaubt Robert Habeck, 48, das nicht nötig zu haben. Vielleicht hat es mit seinem Schreiben zu tun, Autoren verfassen ihre Texte nicht mehr beschlipst wie einst Thomas Mann. Der nun gewählte gebürtige Lübecker hat sich nämlich auch als Schriftsteller versucht, er hat als solcher gar einen Wikipedia-Eintrag. Schon am Titel seiner Promotion zeigte sich, wohin er einmal wollte: Er schrieb zur „gattungstheoretischen Begründung literarischer Ästhetizität“.

Habeck hat einen Krimi geschrieben („Hauke Haiens Tod“), einen Roman („Der Schrei der Hyänen“), den er zur Zeit des Herero-Aufstands in Namibia spielen lässt, dazu Sachbücher, ein Jugendbuch („Zwei Wege in den Sommer“) und 2017 die Autobiographie „Wer wagt, gewinnt. Die Politik und ich“. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch kündigte bereits eine neue Ausgabe dieser Quereinsteiger-Biographie an. Die Bücher wurden lange vor seiner Polit-Popstar-Karriere von renommierten Verlagen herausgegeben, wie dem Gütersloher Verlagshaus, das zu Randomhouse gehört. Im Interview mit der „Zeit“ im Herbst vergangenen Jahres erklärte Habeck, er habe „vom Schreiben gut leben“ können.

Berühmt gemacht haben ihn seine literarischen Werke nicht, aber offenkundig wollte er Literat werden. Mit seiner Frau Andrea Paluch, einer Literaturwissenschaftlerin, mit der er vier Söhne hat, gab er gemeinsame Bücher heraus. In seiner Autobiographie erzählt er, dass das Paar sich am Ende des Studiums vorgenommen hatte, „unser Buch“ zu schreiben. Ein Jahr gaben sie sich dafür, bevor sie sich einen „Brotberuf“ suchen wollten. Es gab schon Kinder, es war viel zu tun, aber es war auch eine „bewusste, gleichsam politische Entscheidung, Familie und Beruf nicht zu trennen“, heißt es. So entstand die Saga „Der Schrei der Hyänen“. Zudem hat er mit seiner Frau englische Lyrik ins Deutsche übertragen, unter anderem Gedichte von Ted Hughes, einer literarischen Ikone.

Hat das dem Politiker Habeck, der sich 2002 den Grünen anschloss, genützt? Bestimmt, denn er ist ein guter Redner, der lebendig Geschichten erzählen kann, die vom Leben und Leiden handeln. In denen sich Menschen bewähren müssen, ringen, kämpfen. So wie Habeck sich aus seinem Kreisverband in Norddeutschland erst zum Landesvorsitzenden, dann zum Minister in Schleswig-Holstein und nun zur Führungsperson seiner zuletzt lahmen Partei aufgeschwungen hat. Wo stünden die Grünen heute ohne die Realos Annalena Baerbock und Robert Habeck? Seine Partei weiß genau, was sie an ihrem Spitzenmann hat. „Habeck ist der Einzige von uns, der bei Illner, Lanz und Böhmermann überzeugt, der professionellen Polittalk ebenso beherrscht wie den menschelnden Auftritt oder die Satire“, erklärt Lasse Petersdotter, Landtagsabgeordneter der Grünen in Schleswig-Holstein.

„Ich war in meinem Leben als Schriftsteller und Vater sehr glücklich, aber es war auch sehr subjektiv“, sagte Habeck 2017 im Interview mit der „Welt“. Da war er gerade nach fünf Jahren als Umwelt-, Landwirtschafts- und Energiewendeminister in einer Jamaika-Koalition stellvertretender Ministerpräsident geworden. Er wolle nun „für die Allgemeinheit was erreichen“, und das gehe bei ihm nur über das Profil der grünen Politik.

Der Drei-Tage-Bartträger hat auf seine Website robert-habeck.de auch eigene „Vermischte Texte“ gestellt. Wichtig ist ihm derzeit vor allem seine Autobiographie als „ein privates Buch über mein Leben in öffentlichen Ämtern“. Der Visionär will als Pragmatiker agieren, die schöne Literatur ist zunächst erst mal zurückgestellt. Ob und wann er wieder schreiben wird, das ist noch unklar. Aber wer einmal den Reiz dieser kreativen Beschäftigung erlebt hat, kehrt fast immer dazu zurück.

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