Internationales Bonner Tanzsolo Festival Zwischen manischem Voodoo und LSD-Kung-Fu
Trockeneisschwaden ziehen durch das abgedunkelte Theater im Ballsaal. Auf einem Stuhl in der Mitte des Tanzbodens verharrt eine hagere, athletische Frau in Trainingskleidung. Wer als platzsuchender Zuschauer an Lucy Suggate vorbei geht, kann zu diesem Zeitpunkt nicht erahnen, welch infernalische Energie diese Tänzerin in wenigen Augenblicken entfachen wird.
"Pilgrim" heißt Suggates monströse Performance, die im März dieses Jahres Premiere in Nottingham feierte und nun im Rahmen des fünften Internationalen Bonner Tanzsolo Festivals einen spektakulären Höhepunkt darstellt.
Nüchtern gesprochen, zeigt Lucy Suggate eine physische Interpretation der Klanglandschaften des Elektronikmusikers James Holden. Zum anfänglichen Bombastsound zuckt und mäandert die Tänzerin aus Yorkshire wie eine Marionette durch den Raum; sie forciert eine bestimmte Tanzsequenz innerhalb einer Bewegungsachse wie einen allmählich beschleunigten Loop, die Musik erinnert derweil stark an hypnotische Trance-Kaskaden à la Tangerine Dream. Weitere stilistische Bausteine in Holdens Tonwerk sind etwa Drum'n'Bass- oder Trip-Hop-Elemente.
Lucy Suggate geht an die äußersten Grenzen des Möglichen. Zwischen den einzelnen Sets muss sie Wasser trinken, sich mit einem Fächer Luft zuführen - und einmal legt sie sich einen Beutel tiefgefrorener Erbsen auf die Stirn, um etwas herunter zu kühlen. Sie schindet ihren Körper in knochenharten, ekstatischen Boden- und Standfiguren, gibt sich kompromisslos der gewaltigen Kraft der Basstrommel hin. Sie wirkt wie eine entfesselte bionic woman, die zwischen manischem Voodoo und transzendentalem LSD-Kung-Fu zu einer Höllentour durchstartet.
Am Sonntag (20 Uhr) folgt Yasmine Hugonnet (Schweiz) im Ballsaal mit "Le Récital des Postures"
