Ilsetraut Glock Zum Tode der Bonner Malerin und Mäzenin

BONN · Poetische Titel gab sie ihren Bildern: "Grün verschlossene Botschaft", "Stunde des Falters" - die Zitate verweisen auf die starke Beziehung ihrer Bilderwelt mit der verschwisterten Kunst des Wortes, der Literatur. Besonders die Bühnenliteratur bot Anregung, reichen Stoff für ihre Bildkompositionen. So führte der Weg der am vergangenen Freitag im Alter von 97 Jahren verstorbenen Ilsetraut Glock früh zur Bühnenbildnerei im thüringischen Nordhausen, wo sie Kindheit und Jugend verbrachte.

Nach dem Kriege entstanden dort ihre Bühnenbilder für Jean-Paul Sartres existenzialistische Stücke "Die Fliegen" oder "Geschlossene Gesellschaft". Der Dichter Rudolf Hagelstange lobte als Theaterkritiker den sparsamen Einsatz der Mittel, die Bühnengestaltung mit Licht, damals neu und revolutionär.

Nach Heirat und Umsiedlung ins Rheinland 1948 entwarf sie für das Bonner Contra-Kreis-Theater Bühnenbilder zu Ionescos "Die Stühle". Dieser Bühnentitel diente später auch als Vorlage für einen Grafik-Zyklus. Sie arbeitete gerne in Zyklen, in denen sie ihre Themen variationsreich umkreiste.

Wir kennen ihre Zyklen "Die Nibelungen", "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" oder "Tagbilder". Im Nibelungenlied sah sie eine sehr deutsche Dichtung mit aktuellen Bezügen zur Geschichte des damals noch zweigeteilten Landes: Schicksalsvögel vor trennendem Stacheldraht. Marcel Prousts Werk "Die Suche nach der verlorenen Zeit" regte sie an zu einem Zyklus von 12 Federzeichnungen. Sie entdeckte die Seelenverwandtschaft der Proust'schen mit der eigenen inneren Welt, das ständige Bewegen zwischen Bewusstem und Unbewusstem.

Im Zyklus der "Tagbilder" führte sie im Januar 1991 mit Acryl- und Lackfarben ein malerisches Tagebuch als Psychogramm ihres Befindens: Erinnerungen an den 2. Weltkrieg, Auseinandersetzen mit verfeindeten Lagern, Angst vor drohenden Kriegen.

Sie schätzte H.C. Artmann, den Wiener Schriftsteller, den sie persönlich kannte. "Lyrik kann mich in bestimmte Situationen und Gefühlslagen hineinführen", sagte sie. Artmann empfand ihre Arbeiten als adäquat, es bestand eine große Achtung, Anerkennung und Anziehungskraft auf beiden Seiten.

Ihre Arbeiten zeigte Ilsetraut Glock in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen. Viele Jahre gehörte sie zur Künstlergruppe Bonn. Von 1992 bis 1995 führe sie deren Vorsitz. Ebenso arbeitete sie aktiv in der GEDOK Bonn, die sie zum Ehrenmitglied ernannte. Die Stadt Bonn ehrte sie 1991 mit der August-Macke-Medaille.

Als Kunstsammlerin und Stifterin gründete sie 1998 in ihrer Heimatstadt Nordhausen die Ilsetraut-Glock-Grabe-Stiftung. Dem dortigen Meyenburg-Museum vermachte sie 130 ihrer Originalgrafiken, dazu 140 Originale weiterer führender Vertreter der klassischen Moderne.

Aus den Erträgen des Stiftungskapitals wird alle zwei Jahre ein Grafikpreis ausgelobt für Künstler aus Mitteldeutschland. "Nestorin der Grafik und Malerei" nannte sie Professor Zehnder, der frühere Leiter des Rheinischen Landesmuseums Bonn einmal.

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