"Heiße Zeiten" im Contra-Kreis Zum Anbeißen süß

Bonn · In den vier Mädels von der Hormontankstelle am Flughafengate herrscht nicht nur genug erotische Energie fürs ewige Duty-Free-Shopping. Die heben ab für einen Interkontinentalflug und trotzen jeder peinlichen verbalen Inkontinenz. Dass wahrscheinlich ein Platz in der Holzklasse frei bleibt, gehört zu den diversen Happy-Ends, die das beglückte Publikum bei der ausverkauften Premiere nach zwei prickelnden Flugstunden zu Ovationen von den Sitzen trieben.

 Die vier Mädels von der Hormontankstelle: (von links) Barbara Köhler, Miriam Lotz, Elisabeth Ebner, Marina Edelhagen. Barbara Köhler, die bei der Premiere wegen Krankheit fehlte und von Mary C. Bernet vertreten wurde, ist seit gestern wieder Teil des Ensembles.

Die vier Mädels von der Hormontankstelle: (von links) Barbara Köhler, Miriam Lotz, Elisabeth Ebner, Marina Edelhagen. Barbara Köhler, die bei der Premiere wegen Krankheit fehlte und von Mary C. Bernet vertreten wurde, ist seit gestern wieder Teil des Ensembles.

Foto: Theater

Die Aussichten sind wechselhaft. Am Klima kann's aber kaum liegen, dass der Flug LH 1974 nach New York sich immer wieder verzögert. Kommunikationsstörungen in der Maschine nennt die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher. Am Boden scheint die akustische Überwachung hingegen gut zu funktionieren. "Geradeaus am Raucheraquarium vorbei und dann links", erklärt die Stimme geduldig bei entsprechenden Bedürfnissen. Die nehmen bekanntlich zu im Klimakterium. Bei der braven Hausfrau, die zum ersten Mal einen Flug wagt, liegt der Harndrang aber wohl eher an der Aufregung.

Die Lautsprecherdurchsagen - inklusive. passgenauer Werbung - gehören ebenso zu den witzigen Einfällen der Inszenierung von "Heiße Zeiten" im Contra-Kreis wie der Monitor über der Sicherheitsschleuse, der sogar Alter und Befindlichkeit der Passagiere scannt. Karsten Engelhardt hat hier Regie geführt bei dem "musikalischen Hormonical" von Tilmann von Blomberg, das seit 2010 nicht nur die weibliche Welt begeistert. Für die musikalische Leitung des erfolgreichen "Ladykrachers" (Liedtexte: Bärbel Arenz, Arrangements: Carsten Gerlitz) mit allerhand Popsong-Piraterien hat Stephan Ohm gesorgt.

Die vier Damen am Gate würden aber auch ohne Flugbegleiter abheben, weil sie sängerisch und tänzerisch jede dramaturgische Turbulenz voll im Griff haben. Ein Sonderlob gebührt dabei Mary C. Bernet, die bei der Premiere ganz kurzfristig für die erkrankte Barbara Köhler als Karrierefrau eingesprungen ist. Die lebenslustig ledige Mittfünfzigerin im eleganten Business-Hosenanzug (Kostüme: Anja Saafan) hat zwar einen Hang zu One-Night-Stands, der selbst "Sex and the City" ziemlich alt aussehen lässt. Was man dem zierlichen Energiebündel aber gern verzeiht. Denn nie explodierte eine "Sex Bomb" heißer als bei diesem "Busy Woman". Dummerweise hat sie die rote Mappe mit den Treatments (diesmal geschäftlich gemeint) auf dem Nachttisch vergessen, was ihrem Dietrich einige Irrfahrten mit seinem flotten Flitzer beschert.

Mut zu üppigen Formen beweist Miriam Lotz als bodenständiges Familientier, das auf dem Weg zum großen Abenteuer seinem Angetrauten per Handy erklärt, wie man Nudeln weich kriegt. Der Goldrand von Omas Meißner Porzellan muss ohnehin in der Spülmaschine dran glauben. Aber mit prall gefüllten Leggings ist das dauerschwitzende Hausmütterchen zum Anbeißen süß.

Wie man Sex buchstabiert, hat die distinguierte Dame bei der Lektüre einer Zeitung für kluge Köpfe wahrscheinlich längst vergessen. "Stil und Vernunft" fordert Marina Edelhagen in der Rolle der Vornehmen und macht dabei kurz die Merkelraute. Vaterfixiert und durch eine lukrative Ehe für die First Class prädestiniert, ist sie ein stimmgewaltiger Schatz im Konzert der postlibidinösen Phase. Zwischen Postpubertät und Prämenopause schwankt Elisabeth Ebner als Jüngste des Quartetts. Als quirliges Disco-Girl mit Glitzerturnschuhen und brennender Sehnsucht nach einem eigenen Baby rührt sie jedes von Depressionen heimgesuchte Herz.

In den vier Mädels von der Hormontankstelle am Flughafengate herrscht nicht nur genug erotische Energie fürs ewige Duty-Free-Shopping. Die heben ab für einen Interkontinentalflug und trotzen jeder peinlichen verbalen Inkontinenz. Dass wahrscheinlich ein Platz in der Holzklasse frei bleibt, gehört zu den diversen Happy-Ends, die das beglückte Publikum bei der ausverkauften Premiere nach zwei prickelnden Flugstunden zu Ovationen von den Sitzen trieben.

Weitere Vorstellungen fast täglich bis zum 2. März. Ticket-Hotline: 0228-632307; weitere Infos unter www.contra-kreis-theater.de.

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