Beethovenfest Zeitreise ins 19. Jahrhundert

Bonn · Das Konzertleben kann manchmal ganz schön grausam sein. Gerade noch haben sich Romeo und Julia aufs Allerschönste in den gemeinsamen Tod gesungen, da fetzt die Musik auch schon los mit einem turbulenten Cancan in Höchstgeschwindigkeit.

 Blumen für die Sopranistin: Anaik Morel im WCCB.

Blumen für die Sopranistin: Anaik Morel im WCCB.

Foto: Barbara Frommann

So rabiat und ein bisschen bizarr endete im WCCB-Konzertsaal der Beethovenfest-Auftritt der Musiciens du Louvre, deren Programm unter dem Motto "Ach, ich habe sie verloren" sich vorzugsweise mit Liebe und Tod beschäftigte, um dann doch noch im ausschweifenden Lebensgenuss zu landen.

Das französische Originalklang-Ensemble, gewiss eines der renommiertesten seiner Art, stellte zwei Liebespaare in den Mittelpunkt seiner musikalischen Untersuchungen: Orpheus und Eurydike sowie Romeo und Julia.

In Christoph Willibald Glucks Oper "Orphée et Eurydice", bei der man viele Ausschnitte aus der französischen Fassung hörte, geht die ganze Geschichte ausnahmsweise glücklich aus, ohne dass es der Musik an heftiger Dramatik fehlt. Für zupackenden wie auch für noblen Klang war dabei unter anderem auch der Philharmonische Chor der Stadt Bonn (Einstudierung Paul Krämer) zuständig.

Dirigent Sébastien Rouland machte klar, warum Gluck heute geradezu modern wirkt: mit einer Vielzahl an dynamischen Abschattierungen und wirkungsvollen Effekten. Die schier unbegrenzten Klangmöglichkeiten des Orchesters verführten ihn freilich auch dazu, sich gelegentlich in ausgefeilter Kleinteiligkeit zu verlieren. Da erschien manches etwas kurzatmig, ohne den großen, vorwärtstreibenden Bogen.

Von Joseph Haydns Orpheus-Oper waren danach die knapp gehaltene Ouvertüre zu hören und eine Arie - ein bisschen wenig für einen ernsthaften Opern-Vergleich, bei dem man ohnehin die Eurydike komplett ausgespart hatte.

Man blieb bei den Häppchen: mit der gefühlsschwangeren Schlussszene aus Gounods "Roméo et Juliette" und dem "Galop infernal", dem Cancan aus Jacques Offenbachs "Orpheus in der Unterwelt", der die richtige radikale Rasanz hatte.

Der eigentliche musikalische Gewinn des Abends freilich lag in der Begegnung mit zwei französischen Sängern, die hierzulande noch nicht die Popularität haben, die sie verdienen. Tenor Mathias Vidal führte für die Orpheus-Klagen bei Gluck und Haydn eine schlanke, sehr helle und ungemein bewegliche Stimme ins Feld, die selbst in tückischen Koloraturen immer noch seelische Zustände ausdrücken kann.

Und ganz nebenbei sorgte Vidal für die Erkenntnis, dass sich der Gluck-Hit "Ach, ich habe sie verloren" auch ohne aufdringliche Sentimentalitäten singen lässt.

Mezzosopranistin Anaik Morel hatte es mit Berlioz' "Les nuits d'été" zu tun, mit vier dieser sechs Orchesterlieder auf ziemlich düstere Texte von Théophile Gautier. Morel gestaltete die Nacht-Bilder mit größter Ruhe und eindrucksvoller Schlichtheit, mit einer faszinierend sanft timbrierten Stimme.

Dass der Zusammenklang von Vidal und Morel in Gounods Opernfinale trotz des tragischen Ausgangs schließlich ein purer Glücksfall war, verstand sich nach den Solo-Auftritten von selbst.

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