Wuchtige Pfeiler umrahmen zarte Gebilde

Markus Karas eröffnet den Orgelsommer im Bonner Münster - Alain Escudero spielt Beethoven in der Uni - Koreanische Musik im Augustinum und indische Klänge in der Brotfabrik - Klingende Bilder im Landesmuseum

  Alain Escudero  spielte Beethoven im Uni-Festsaal.

Alain Escudero spielte Beethoven im Uni-Festsaal.

Foto: Paul Robert

Bonn. Zwischen Einzug und Auszug, zwischen "Entrée" und "Sortie" von Marcel Dupré hatte Münsterorganist Markus Karas das Programm des ersten Orgel-Sommerkonzerts in der Münsterbasilika gestellt. Wuchtigen Pfeilern ähnlich, umrahmten die beiden festlich-triumphal tönenden Stücke eine Folge kleinerer, intimerer Werke aus der Feder frankophoner Komponisten.

Statt auf prunkvoll geschmückte Altäre blickte man also gewissermaßen auf zarte Andachtsbilder wie etwa das schlichte, sentimentale Gebet für Sopran und Orgel von Charles Gounod. Mit ihrer feinen, klaren und natürlich wirkenden Stimme wandelte sich die Sopranistin Dorothea Craxton zur religiös-naiven Seele, die ihr Flehen in schmachtende Gesangslinien kleidet.

Der zurückhaltenden Gounod-Pièce stand am anderen Ende des Ausdrucksspektrums das "Gloria" aus der "Messe pour le Jour de la Paix" von André Jolivet gegenüber. Die exaltierte Partie erfordert einen wahren sängerischen Kraftakt, den Dorothea Craxton überzeugend durchstand. Ebenso eindringlich gelangen ihr "Les Angélus" von Louis Vierne und "Priez pour Paix" von Francis Poulenc.

Markus Karas glänzte solistisch unter anderem mit "Le jardin suspendu" von Jehan Alain und mit eigenen Variationen über den Choral "Jesu dulcis memoria". Schließlich applaudierten sich die Zuhörer noch das "Ave Maria" für Sopran und Orgel von César Franck als Zugabe herbei.

Mit einem Ludwig van Beethoven gewidmeten Konzert schlossen die Deutsch-Italienischen Gesellschaften ("Societ Dante Alighieri" und "Societ Frascati Tusculum") den Reigen ihrer Veranstaltungen zur Sommerpause hin ab. Alain Escudero aus Magliano in der Toskana begann im Festsaal der Bonner Universität mit der Sonate Nr. 1 f-Moll op.2,1. Das anspruchsvolle Frühwerk brachte der Pianist mit beachtlicher Finesse zu Gehör. Ausgesprochen sensibel intonierte Escudero die Sonate As-Dur op. 2,2, die er behutsam und dynamischen Spannungsbögen mit hoher Sensibilität spielte.

Nach der Pause erklangen die Sonate c-Moll op. 13 ("Pathétique") und die Sonate cis-Moll op. 27,2 ("Mondschein-Sonate"). Escudero näherte sich den Klassikern mit Respekt, wobei er tiefe Inspiration und italienische Leggerezza kongenial zu verbinden wusste. Großer Applaus für den Musiker, der das Publikum schließlich mit Mozart und spanischer Klassik von Lareggla und von Soler (Sonate 88) als Zugaben restlos begeisterte.

Traditioneller koreanischer Musik und Tänzen war ein Abend im fast voll besetzten Bonner Augustinum gewidmet. Veranstaltet hatte ihn die Deutsch-Koreanische Gesellschaft zum Korea-Jahr und wurde dabei unterstützt durch die Bonner Außenstelle der koreanischen Botschaft und die Stadt Bonn. Zu Gast war das renommierte, 1990 gegründete Cheonan City Chungnam Korean Traditional Music Orchestra unter der Leitung von Cho Zu-Woo, dessen Ziel es ist, die Musik- und Tanztraditionen des Landes zu erhalten und zu pflegen.

Und die 16 Künstlerinnen und Künstler vermittelten denn auch, in ihren prächtigen Kostümen und Gewändern auch optisch ungemein reizvoll, faszinierende Einblicke in diese hohe fernöstliche Kultur. Allesamt waren sie, ob Instrumentalisten, Sängerinnen oder Tänzerinnen, von großer Ausstrahlungskraft und ebensolchem ausführungstechnischem Niveau.

Unter den Tänzen gab es unter anderem einen eindrucksvollen Mönchstanz, der wohl einen Kampf zwischen Körper und Geist versinnbildlichen soll. Zum krönenden Abschluss wurde durch die drei weiblichen Mitglieder und einen Schlagzeuger ein wahres Furioso entfesselt, zeitweilig war auch noch ein Akrobat mit dabei, der ein Band um Kopf und Körper wirbeln ließ. Die Begeisterung nach dieser Schluss-Nummer war natürlich riesig, es gab "standig ovations", und das Stück musste noch einmal wiederholt werden.

Der dritte Abend in der kleinen Reihe indischer Konzerte in der Beueler Brotfabrik war, als der wohl fremdartigste, von ganz besonderem Interesse: Er brachte die Begegnung mit historischer Hofmusik, und zwar des ehemaligen Fürstentums von Darbhanga im Nordosten Indiens. Es gibt heute nur noch zwei Familien, die dieser Musiktradition mächtig sind, die eine ist die Malli-Family, die seit 1773 Hofmusiker stellt.

Die jüngsten Mitglieder der Malliks waren nun mit ihrem berühmten Vater, Pandit Premkumar Mallik, auf Europa-Tournee, die erfreulicherweise eben auch in die Brotfabrik führte. Die beiden Söhne Prashat (20) und Nishant (16) und die 18-jährige Tochter Priynaka beherrschen den spezifischen Drupadgesang dieses höfischen Stils bereits sehr eindrucksvoll, fast schon so hochvirtuos und temperamentvoll wie der Meister-Vater.

Gesungen wurde, in der alten Sprache Sanskrit, und die Texte der nach Raga-Art in mehrere, zunehmend variierende und ausschmückende Abschnitte gegliederten Gesänge stellten meist Huldigungen an den Gott Krishna dar. Was den Dhrupad-Stil der Malliks dabei so aufregend macht, das ist die starke rhythmische Akzentuierung im Hauptteil der Stücke. Beim letzten Programm-Punkt waren alle sechs Musiker auf dem Podium vereint und Premkumar begleitete seinen Gesang hier auf einem kleinen Harmonium. Der Schlussbeifall war groß und wollte kaum enden.

Unter dem Motto "Klangbilder - Osteuropäische Seelenlandschaften" fand im Rheinischen Landesmuseum die erste der Begleitveranstaltungen zur Rosswog-Ausstellung "Heritage" statt. Helmut Reuter unternahm den ehrgeizigen Versuch, seine Forschungsergebnisse in der konstruktivistisch interpretierten Wahrnehmungspsychologie in Kontext mit der Analyse und Interpretation von Kunst und Musik zu bringen. Vereinfachter Kern seines Ansatzes ist das Postulat: "Der Betrachter macht die Kunst".

Den musikalischen Gegenpart zu den Erläuterungen Reuters übernahm seine Frau, die Pianistin Ana-Marija Markovina. Die teils streitbaren Thesen Reuters sollten durch Klavierstücke illustrativ untermauert werden. Dazu wurde neben Mussorgskys wundervoll slawisch geprägten "Bildern einer Ausstellung" auch die ungarische Klangsprache Béla Bart¢ks herangezogen. Seine "Suite op.14" und das "Allegro Barbaro" interpretierte die Pianistin mit viel Pathos, doch leider nicht immer mit der nötigen Präzision. Mussorgskys Klangwelt schien sie tiefer ergründen zu können.

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