"Wir im Finale": Der Fußballkrimi im Theater im Bonner Ballsaal

Bonn. "Wir sind Papst" - was ist diese unvergessliche Schlagzeile gegen den ganz großen Traum: "Wir im Finale". Das vielfach ausgezeichnete freie Kölner Ensemble "a.tonal.theater" hat das, was uns 2006 global wirklich bewegen wird, schon mal vorweggenommen und jetzt bei einem kurzen Gastspiel auch im Bonner Theater im Ballsaal präsentiert: "Wir im Finale", allerdings mit dem Untertitel "ein deutsches Requiem".

Marc Becker hat den Text zu diesem entsprechend pessimistischen Blick aus den Sprachfloskeln der Sportschau und der unmittelbaren Reporterlyrik, dem alten Polit-Pathos und der neuen Nationalrhetorik, den flotten Sprüchen der Medien-Ballkünstler und der naiven Realpoesie aus der Fankurve collagiert: Fußball also als richtig großes Drama zwischen alten Heldensagen und dem Wunder von Bern.

Das runde Leder und eine schwitzende Elf im Nationaltrikot gibt es trotzdem in der Inszenierung von Jörg Fürst nicht; wohl aber sechs zu Charaktermasken hochgeschminkte Personen im schwarzen Frack auf der Suche nach dem Tor, das die Welt bedeutet.

Sie sprechen und agieren fantastisch präzis wie der Chor einer antiken Tragödie, führen durch alle emotionalen Höhen und Tiefen des Kampfes, sind Mitleidende, Warner, euphorisch Liebende und grausam Enttäuschte.

Anne Fink, Christine Stienemeier, Sabine Hahn, Christof Hemming, Johann Krummenacher und die überwältigend gute Christiane Bruhn als Trainerin, die den Jungs rabiat die Leviten liest und als Einpeitscherin das Volk auf Hochtouren bringt, machen daraus eigenwillige Figuren, die sprachrhythmisch wie ein perfektes Orchester funktionieren.

Sie entlarven alles Gesagte mit choreografischer Präzision als die Lüge, die Leni Riefenstahls Weitwinkelobjektiv schon auf olympischen Höhen zelebriert hat. Und halten dabei immer exakt die Distanz, mit der sie nicht zu Mitkickern auf dem Rasen werden, sondern kühl kalkulierende Mitspieler im Kampf um die lädierte deutsche Seele.

Bühnenbildnerin Christina Wachendorff gibt den imaginären Helden einen abstrakten Freiraum, auch wenn die nach der Pause hinter Sperrholzschemen auf- und untertauchen, die fatal an "Fidelio" erinnern. Große Oper ist das unverschämt kluge Sportstück "Wir im Finale" auf jeden Fall, ohne Elfriede Jelineks redseligen Schiedsrichterblick - und zudem ein total spannender Fußballkrimi, bei dem es in den letzten Sekunden wirklich ums Ganze geht. Unbedingt sehenswert!

Selbstverständlich exakt 90 Spielminuten. Nur noch am Samstag (5. 11.) um 20 Uhr im Theater im Ballsaal, Tel. (02 28) 79 79 01; weitere Aufführungen vom 10. bis zum 13.11. im Theaterhaus Köln. Weitere Informationen unter www.atonaltheater.de.

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