"Wir hatten das Gefühl, etwas Wichtiges zu tun"

Der Journalist Kurt Volkert aus Königswinter hat jahrelang als Kriegsreporter gearbeitet - Mit 135 Bildern haben er und der Pulitzer-Preisträger Horst Faas im Krieg getöteten Journalisten ein Denkmal gesetzt

Königswinter. War es Schicksal, Bestimmung oder einfach nur Glück? Kurt Volkert aus Königswinter weiß es nicht. Aber niemals wird der ehemalige Kameramann des amerikanischen Fernsehsenders CBS den 30. Mai 1970 vergessen können - jenen Tag, an dem sich in Kambodscha das größte Massaker an Journalisten überhaupt ereignete.

Neun Kollegen Volkerts wurden innerhalb von 24 Stunden brutal ermordet.

"Und wenn ich nicht im letzten Augenblick ausgetauscht worden wäre, hätte es auch mich erwischt", sagt der nach Deutschland ausgewanderte Amerikaner.

Seit 1993 lebt er in Königswinter. In der Meerkatzstraße hat er ein altes Fachwerkhäuschen liebevoll als Atelier hergerichtet. Gemälde, mit denen er seine Erlebnisse an den Kriegsschauplätzen verarbeitet, hängen dort neben Landschaftsbildern des Siebengebirges.

Als junger Mann begleitete Volkert in den 60er Jahren amerikanische Truppen im Vietnam-Krieg mit der Kamera, filmte Kampfhandlungen in Kambodscha und Laos.

Am 30. Mai 1970 sollte Volkert eigentlich einen Korrespondenten bei einem als relativ ungefährlich eingeschätzten Termin begleiten, wurde dann aber kurzfristig abgezogen, um einen Kampfeinsatz zu filmen - "aus dem dann doch nichts wurde".

Für seine Kollegen indes entwickelte sich der "harmlose Gang auf die Straße" zum Desaster. "Vier hat man sofort erschossen, fünf wurden gefangen genommen. Später fand man heraus, dass auch diese ermordet wurden.

Sie wurden gefesselt und mussten sich in einem Kreis hinknien. Man hat sie dann mit einer Keule erschlagen und anschließend einfach verscharrt", erzählt der 66-Jährige.

Ein Ereignis, das Volkert nicht loslassen sollte - auch nicht, als er Vietnam schon lange verlassen hatte. 1972 war der Kameramann mit dem Fernsehsender CBS nach Bonn gekommen und durchlief von dort aus verschiedene Stationen in Europa, reiste nach Südafrika, in den Mittleren und Fernen Osten.

"Aber die Story in Kambodscha ging für mich noch 20 Jahre lang weiter." Die Suche nach den sterblichen Überresten seiner Kollegen führte Volkert 1992 abermals an den Kriegsschauplatz.

Es gelang ihm damals, die Leichen von vier der fünf vermissten Journalisten ausfindig zu machen. "22 Jahre lang lagen die unter einer zwei Meter hohen Schlammschicht am Ufer eines Flusses begraben."

Zur gleichen Zeit hatte sich auch der Fotograf Horst Faas, der im Vietnamkrieg für die Nachrichtenagentur dap im Einsatz war, auf die Suche nach verschollenen Kollegen begeben.

Die "Duplizität" der Ereignisse führte die beiden Journalisten Ende der 90er Jahre zusammen. Ihrem Kontakt ist es zu verdanken, dass kürzlich eine kleine, aber umso bemerkenswertere Ausstellung in Königswinter im Haus Bachem zu sehen war: Bilder von 135 Fotografen, die im Vietnam-Krieg ihr Leben gelassen hatten.

Die Ausstellung "Requiem" hat Menschen auf der ganzen Welt erschüttert. Ihren hohen Stellenwert genießt sie auch deshalb, weil sie nicht nur Aufnahmen aus amerikanischer Sicht, sondern auch Bilder von Fotografen der Gegenseite zeigt.

"Ich fand es einfach wichtig, dass gerade angesichts der drohenden Kriegsgefahr im Zusammenhang mit dem Irak, die Ausstellung nicht nur in den großen Städten zu sehen ist", erklärt Volkert. Viele Kollegen habe er auf den Fotos wieder erkannt.

"Sie waren ja zur gleichen Zeit in Vietnam wie ich." Wenn Fotografen und Kamerateams auch meist nicht zusammen unterwegs waren, ihre Wege kreuzten sich oft.

"Wir saßen im gleichen Hubschrauber oder auf dem gleichen Panzer." Offen und ehrlich und ganz ohne Pathos antworteten die beiden Journalisten auf die Fragen der Ausstellungsbesucher. "Für uns war der Krieg Tage der Langeweile, unterbrochen von Sekunden des Schreckens.

Kriegsberichterstatter verrichten keinen Schalterdienst von morgens acht bis abends fünf. Man verdiente sein Gehalt oft in Sekunden", sagt Horst Faas. Der Träger des Pulitzer-Preises war eigens für die Präsentation seiner Ausstellung aus London nach Königswinter gereist.

Wie die Arbeitsbedingungen an den Kriegsschauplätzen waren, wollte ein Besucher wissen. Faas und Volkert erinnerten sich in erster Linie an die Hitze, die Unsicherheit und die vielen kleinen Granaten und Minen, "die einem unter den Füßen lagen."

"Man wurde zu einem Teil der Einheit, die man gerade begleitete." Mit Helm und Stahlweste, den Rucksack mit der eigenen Verpflegung auf dem Rücken, marschierten die Journalisten mit den Soldaten durch den Dschungel.

Immer mit im Gepäck: Die Angst, die es zu überwinden galt. "Aber wir waren alle jung, und hatten das Gefühl, etwas Wichtiges zu tun." Faas wurde bei seinen Einsätzen ein Mal schwer und mehrmals leicht verletzt.

"Drei Mal bin ich in Hubschraubern abgeschossen worden." Dennoch haben Faas und Volkert ihre Tätigkeit nie bereut. "Jemand muss doch die Öffentlichkeit darüber informieren, was geschieht."

Die Grenzen müsse jeder für sich selbst ausloten: "Ohne Sensibilität ist man kein guter Journalist. Aber wir sind ja da, um die Realität zu filmen oder zu fotografieren." Auch sei es für sie schwierig, das Gesehene zu verarbeiten. "Das ist eine Art Reife-Prozess."

Mit der Ausstellung "Requiem" und verschiedenen Büchern haben Faas und Volkert ihren getöteten Kollegen ein Denkmal gesetzt - sie und ihr Werk vor dem Vergessen bewahrt. "An gefallene Journalisten erinnert sich die Öffentlichkeit nicht oft. Aber das waren keine Abenteurer, die schnell das große Geld machen wollten, sondern Leute, die sehr ernsthaft arbeiteten."

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