FAZ, SZ und Theater Wie Kritiker heute das Bonner Schauspiel sehen

BONN · Der Ton im Kulturjournalismus wird rauer. Als Klaus Weise im vergangenen April mit Kleists "Zerbrochnem Krug" seine letzte Bonner Regiearbeit im Schauspiel abgeliefert hatte, urteilte Andreas Roßmann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ): In ihrem Zentrum werde die Inszenierung "zu einer spannenden Auseinandersetzung über die Grenzen einer Rechtsfindung, die dem Opfer letztendlich nicht gerecht werden und es nicht angemessen entschädigen kann".

 Mit Zuversicht in die erste Spielzeit: Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp Anfang September 2013.

Mit Zuversicht in die erste Spielzeit: Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp Anfang September 2013.

Foto: Thilo Beu

Weises zehn Jahre in Bonn, so Roßmanns Bilanz, hätten keine großen künstlerischen Entwicklungslinien sichtbar werden lassen. Weises großes Verdienst sei es gewesen, dass er den Einschnitten in den Etat, der Schikane durch Politik und Verwaltung am Ende Paroli geboten habe, als er lieber ging, statt weiter Kürzungsaufträge umzusetzen.

Weises Nachfolger heißt Bernhard Helmich, dessen Schauspieldirektorin ist Nicola Bramkamp. Diese Namen liest man nicht in der FAZ-Premierenkritik von "Helmut Kohl läuft durch Bonn", uraufgeführt am 18. Dezember in der Werkstatt des Theaters. Andreas Roßmann belässt es bei bloßen Hinweisen auf einen neuen Intendanten ("sein Name tut hier nichts zur Sache") und auf den Regisseur des Stückes von Nolte Decar ("dessen Name auch nichts zur Sache tut"). Er kritisiert Kalauer und Kaspereien. Roßmanns Fazit: "Weder Kohls historische Größe noch seine politische Tapsigkeit bieten Widerstand."

Einmal abgesehen vom (überzeugenden) Urteil des Kritikers, mutet die Prosa vernichtend an. Ein namen- und, wie man herauslesen muss, kopfloses Bonner Theater blickt nach Ansicht von Roßmann in eine graue Zukunft. Die Süddeutsche Zeitung näherte sich dem neuen Bonner Schauspiel auch mit Vorbehalt. Nach der Premiere von "Metropolis" in der Halle Beuel informierte Vasco Boenisch seine Leser am 15. November zunächst über die personellen Veränderungen am Bonner Theater.

Mit Bernhard Helmich aus Chemnitz sei ein Mann als Generalintendant angetreten, den im Unterschied zu Klaus Weise "die Kürzungen nicht schreckten". Gemeint war die Helmich vom Rat der Stadt auferlegte Summe von 3,5 Millionen Euro. Mit Nicola Bramkamp habe Helmich eine Schauspieldirektorin verpflichtet, "die zuletzt Dramaturgin am glücklosen Hamburger Schauspielhaus war". Nach dieser Einführung erwartet man nicht mehr viel von den neuen Kräften.

Im Fall von "Metropolis" ist die Skepsis durchaus begründet. Boenisch nimmt die Inszenierung von Jan-Christoph Gockel prägnant auseinander: "Über der Faszination am handwerklichen Detail verliert die Regie ihr Kerngeschäft aus den Augen: eine stringente Geschichte und die Schauspielerführung. Der dreistündige Abend franst aus."

In der Januarausgabe von Theater heute, dem Zentralorgan der deutschen Theaterkritik, würdigt Gerhard Preußer die Leistungen von Nicola Bramkamp und ihrem Team. Er verweist auf die Verjüngung der Truppe, was Schauspieler wie Regisseure gleichermaßen betreffe. "Risikofreudig sind ihre Spielplanentscheidungen", charakterisiert der Kritiker die Handschrift Bramkamps. "Sie mutet dem Bonner Publikum, das sie zugleich für sein hohes intellektuelles Niveau lobt, einiges zu. Ein frischer Wind, auch wenn es manchmal zieht."

Von den ersten Inszenierungen gefällt Preußer keine so richtig: weder "Karl und Rosa" ("inszenatorischer Kurzschluss, der nicht zündet") noch "Fräulein Julie" ("mit enervierender Naivität und provozierender Gedankenlosigkeit") noch Metropolis" ("Aus Stummfilm wird dröhnendes Rezitiertheater"). "Leonce und Lena" hingegen" kommen bei Preußer an: "Spielwitz, Draufgängertum und Aktualisierungslust finden ihr Ziel."

Wie zu hören ist, haben die Tiefschläge aus Frankfurt und München in Bonn Wirkung gezeigt. Doch Bramkamp und Kollegen können Trost finden in einer zeitlosen Erkenntnis von Theater heute: "Dem Bonner Schauspiel gehört wie jedem Anfang die Zukunft. Wie sie aussehen wird, ist bekanntlich offen."

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