Bosse im Kölner E-Werk Wie ein fliegender Teppich

KÖLN · Kontrastreicher als am Dienstagabend ging es konzertmäßig in der Mülheimer Schanzenstraße selten zu. Während im Palladium die Beatsteaks hart, laut und heftig auf die Gehörgänge ihrer Fans eindroschen, präsentierte sich das E-Werk vis-á-vis beim Auftritt von Bosse in geradezu philharmonischer Anmutung.

 Hymnen und Balladen: Bosse im E-Werk.

Hymnen und Balladen: Bosse im E-Werk.

Foto: Thomas Brill

Mit komplett bestuhltem Innenraum, mit Pause und der Auflage, während der Dauer des Auftritts von Bosse und seinen neun Bandkollegen keine Getränke in der Halle auszuschenken. "Der Künstler will das so", wurde allen beschieden, die wegen Nachschubs an der Theke vorstellig wurden. Dass die zweite "Tränke" im Foyer währenddessen geöffnet blieb, mag verstehen, wer will. Denn so gab es dennoch Gerenne - nur in eine andere Richtung.

Bosse, dessen Name nach einem Helden aus Astrid Lindgrens Büllerbü-Welt klingt, heißt tatsächlich Bosse, allerdings mit Nachnamen. Seinen Vornamen Axel hängte der Sänger, Gitarrist und Songschreiber 2003 an den Nagel, um fürderhin nur noch Bosse zu heißen. Danach betitelt ist auch seine Band. Neun ungemein spielfreudige und wandlungsfähige Musiker, die zusammen 38 Instrumente beherrschen.

Der 34-jährige Frontmann und seine Mitspieler sorgen im ausverkauften E-Werk für tolle Stimmung. Trotz Stehverbots. Denn die 1200 Fans - ausgenommen die, die oben auf der Galerie Platz gefunden haben - sollen auf ihren Plätzen bleiben. Es sei denn, Bosse gestattet es ihnen, sich zu erheben: "Ihr dürft aufsteh'n!" Um hinzuzufügen: "Und wenn ihr steht, dann könnt ihr auch tanzen!"

"Tanz mit mir" heißt einer der Hits vom Album "Taxi" (2009), der als letztes Stück vor der Pause erklingt - und dazu ist das Publikum ja auch durchaus in Laune. Aber zwischen den Stühlen fällt das schwer. Wenn man aufhört, sich über den Widerspruch von Bosses Texten, in denen es leitmotivisch um Nächte geht, in denen man der Freiheit huldigt, und seinen autoritären "Stellen-Setzen-Stellen"-Kommandos zu ärgern, kann man den Abend durchaus genießen.

Mit grandiosen Stücken wie dem hymnischen "Frankfurt Oder" (das eigentlich ganz anders gemeint ist), der Erinnerung an die faszinierende Lügnerin "Sophie" oder der stürmischen Liebeserklärung an die "Schönste Zeit", die so gar nichts von einem melancholischen Abgesang hat. Sondern vielmehr jene Jahre feiert, in denen sich das Leben vor den Augen eines Mofa fahrenden Heranwachsenden so bunt, so verlockend und so magisch ausbreitet wie ein fliegender Teppich.

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