Videonale im Kunstmuseum Wer ist denn schon Fassbinder?

Videonale mit Retrospektive Kenneth Anger: Der Pionier des amerikanischen Underground-Films zu Gast im Kunstmuseum.

 Kenneth Anger im Bonner Kunstmuseum.

Kenneth Anger im Bonner Kunstmuseum.

Foto: Horst Müller

Der bestens gelaunte Herr auf der kleinen Bühne im Auditorium des Bonner Kunstmuseums trägt blaugraue Turnschuhe, eine rostbraune Cordhose, ein Rodeohemd, einen hellgrauen Hut. Und im Gesicht ein breites Lächeln. Kenneth Anger ist eine lebende Legende. Die Videonale hat der 86-jährigen Avantgarde-Ikone, einem Pionier des amerikanischen Underground-Films, eine Retrospektive gewidmet.

Zwischen den Kurzfilmen plaudert Anger im Gespräch mit dem Kölner Filmjournalisten Daniel Kothenschulte aus seinem schillernden Leben. Bereits mit elf Jahren drehte Anger seine ersten Streifen.

Als zentrales Motiv zieht sich die Faszination für Okkultismus und Aleister Crowley durch Angers Oeuvre. 1950 reiste er nach Paris, wo er Kontakte zu Edith Piaf und Jean Cocteau unterhielt; fünf Jahre später dokumentierte er auf Sizilien fotografisch die Ruinen der Abtei Thelema von Crowley.

Durch sein zweibändiges Enthüllungswerk "Hollywood Babylon" wurde Anger 1959 einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Sein 1949 uraufgeführter Film "Fireworks" fand als erste seiner Arbeiten einen Verleih, und er wurde zu einem der wichtigsten Werke des Regisseurs.

Die homosexuellen Fantasien in "Fireworks" stellen neben dem Okkultismus ein weiteres Kernthema in Angers künstlerischem Schaffen dar. Viele seiner Filme gelten als verschollen oder unvollendet, die fertiggestellten Produktionen liefen meistens nach Mitternacht in einigen US-Lichtspielhäusern.

"Mein bestes Publikum ist in Europa, vor allem Deutschland", sagt der 86-Jährige. Den Hollywood-Mainstream verurteilt er nicht generell: "Hollywood hat ein paar sehr gute Filme hervorgebracht, machen wir uns nichts vor. Aber eben auch sehr viel Müll."

Seine Deutschlandpremiere feierte im Kunstmuseum der 2008 entstandene Streifen "Ich will", den Anger aus Extrakten der NS-Propagandafilme "Hitlerjunge Quex" und "Triumph des Willens" montiert und mit Musik aus Bruckners achter Symphonie unterlegt hat. Ganz und gar überwältigend: "Lucifer Rising", ein einzigartiger okkulter Bilderrausch mit psychedelischer Bombastmusik. Ein diabolisches Meisterwerk, das erst 1981 vollendet wurde.

Unter den fachkundigen Zuschauern ist auch Bonns Generalintendant Klaus Weise, der davon ausgeht, dass Werner Schroeter und Rainer Werner Fassbinder Angers Filme gekannt haben müssen. "Wer?" fragt Anger. "Schroeter und Fassbinder", wiederholt Weise. Anger macht tatsächlich den Eindruck, als sagten ihm die Namen nichts. "Vielleicht", sagt er ausweichend. Amerika ist eben groß, und Europa ist alt.

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