Bundeskunsthalle Was Rein Wolfs in seinem ersten Jahr bewegt hat

BONN · Er ist angekommen: im Rheinland, in Bonn, in der Realität. Und Rein Wolfs freut sich noch immer über das "Abenteuer Bundeskunsthalle". Vor einem Jahr begann seine Intendanz.

Wolfs hat viel gelernt über die Möglichkeiten, die ihm diese personell und finanziell so gut ausgestattete Institution bietet, wie er im Gespräch erläutert: "Es ist ein abenteuerliches, interessantes und spannendes Haus." Er hat aber auch die Trägheit des "Dampfers Bundeskunsthalle" zu spüren bekommen. "Da muss ich noch geduldiger werden", räumt er ein, "das Haus kann performen, es könnte aber noch dynamischer gehen." Was noch fehlt: "Karneval muss ich noch lernen", sagt der 53-Jährige mit einem Augenzwinkern.

Sein erstes Jahr in Bonn war geprägt von Kontrasten. "In meiner Bilanz überwiegt das Positive", sagt er. Überwältigt war er von der Ausstellung "1914 - Die Avantgarden im Kampf", die noch unter seinem Vorgänger Robert Fleck konzipiert worden war. "Das hat mich sehr berührt, nicht nur vom Inhalt und der Gestaltung her, es war nachdenklich, konfrontativ, von hoher ästhetischer Qualität."

Dass Wolfs erste Duftmarke, die gelungene Werkschau des Aktionskünstlers und Bürgerschrecks John Bock, mit 8500 Besuchern quotentechnisch bei weitem nicht an die Klassikerschau heranreichte, betrübt ihn nicht. "Wir haben damit gerechnet", sagt er, "aber wir wollen mehr." "In Berlin hätten wir doppelt so viele Besucher gehabt", räumt er ein.

Aber die Bundeskunsthalle müsse auch solche Ausstellungen machen, selbst wenn sie nicht die große Quote bringen. Wolfs ist überzeugt, dass sich durch kontinuierliches Arbeiten ein Programm mit Gegenwartskunst etablieren lasse. In den letzten 15 Jahren sei der Schwerpunkt auf kulturhistorische Ausstellungen gelegt worden, ein modernes Haus müsse aber auch die Gegenwart berücksichtigen. "John Bock hat die Bundeskunsthalle weitergebracht." Wolfs freut sich auch, "dass wir Malewitsch nach Bonn holen konnten - in dieser Ausstellung spiegelt sich das ganze 20. Jahrhundert".

Das erste Jahr Rein Wolfs hat auch Züge einer neuen Ausstellungspolitik offenbart: Das Medien-Experimentierfeld "Echoraum" ist verschwunden, die Reihe der Künstler-Soloshows hat einen Generationensprung nach vorne gemacht, pausiert aber in diesem Jahr. An einen Schlusspunkt ist die mit dem Madrider Prado, der Eremitage St. Petersburg, den Vatikanischen Museen und dem Guggenheim prominent besetzte Reihe der Museums- und Sammlungsporträts gekommen.

"Diese Linie hat sich erschöpft", sagt der Holländer, "wir können nicht noch einmal einem Guggenheim-Effekt nachjagen." "Wieso stehen wir nicht dazu, dass wir eine Kunst- und Ausstellungshalle sind und keine Sammlung haben, kein klassisches Museum sind?", fragt er. "Wir müssen das Temporäre als dynamische Stärke sehen, das ist unser Alleinstellungsmerkmal", sagt Wolfs, "lasst uns nicht so tun, als seien wir ein Museum."

Brach liegt derzeit die schon vor Jahren angepeilte Sanierung des Museumsplatzes, der beliebte Dachgarten der Bundeskunsthalle bleibt in diesem Jahr unbespielt. Wolfs' Interessen lagen in seinem ersten Jahr woanders. Im Bonner Kulturleben - ob beim Beethovenfest, im Theater oder bei Vernissagen - ist Wolfs sehr präsent, ist eingebunden in große kulturelle Projekte der Stadt wie Beethovens 250. Geburtstag.

Seit den Zeiten von Wenzel Jacobs Intendanz war das nicht mehr so. "Bonn wirkt angenehm und freundlich, lebendig, auch diskursiv, wie das Rheinland diskursiv ist." Wolfs lobt höflich die "unglaubliche Bandbreite in der Kultur, Bonn hat gute Strukturen". Und perspektivisch gesehen? "Bonn könnte sich stärker dem Neuem öffnen, den Blick für das Experiment riskieren."

Dass er rund 200 Medienvertretern bei Pressekonferenzen im Forum gegenübersitzt, schreckt ihn nicht. "Das bin ich vom Migros Museum und Boijmans van Beuningen her gewöhnt", sagt er. Geht ihm sprachlich einmal etwas daneben, reagiert der schlaksige Holländer souverän: "So ist das, wenn ein Niederländer versucht, deutsch zu sprechen."

Wolfs kommuniziert gerne, mit der Presse, mit dem Publikum. Er mag die konzentrierte Situation im Forum, aber auch den Austausch in der Ausstellung. Die Erwartungshaltung des Bundes? Wolfs nimmt auch dies gelassen, interpretiert sie so: "Der Bund erwartet ein spannendes Programm, das in unserer Zeit steht, aber durchaus auch historische Perspektiven aufweist und zeigt, dass wir es in Deutschland mit einem weltoffenen Staat zu tun haben", sagt der Holländer.

Was Pläne angeht, gibt sich Wolfs sehr zugeknöpft. Dass es 2016 eine große Ausstellung über das Tanztheater von Pina Bausch geben wird, ist ihm zu entlocken. Geplant sei ferner eine Ausstellung zu 100 Jahren Ready-Made mit Schätzen aus dem Schweriner Marcel Duchamp-Forschungszentrum, eine Kooperation mit Berlin. Der Rest ist Schweigen.

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