Von der nüchternen Dokumentation bis zur Schwärmerei

Erinnerungen an die Orientalistin Annemarie Schimmel im Bonner Haus der Geschichte

Bonn. Sie galt als Deutschlands bekannteste Orientalistin und war bei Wissenschaftlern und muslimischen Würdenträgern ein gerne gesehener Gast. Zu Lebzeiten erhielt sie den Friedenspreis des deutschen Buchhandels, im letzten Jahr wurde die Anfang 2003 Verstorbene mit einem Porträt im Pflaster der Bonngasse unsterblich gemacht.

Auch wenn ihre Ansichten über die Rolle der Frau im Islam nicht unumstritten waren, erinnert man sich gerne an Annemarie Schimmel. Mit einer Lesung im Haus der Geschichte gedachte Karin Hempel-Soos der Wissenschaftlerin und früheren Harvard-Professorin, die von 1993 bis zu ihrem Tod in Bonn gelebt hatte.

Einmal im Jahr möchte Hempel-Soos, Leiterin des Hauses der Sprache und Literatur, an Schimmels Geburtstag, dem 7. April, einen Gedenkabend abhalten, dieses Jahr mit ein wenig Verspätung. Die anhaltende Popularität Schimmels wurde dabei zum Problem als immer mehr Leute in den kleinen Seminarraum des Hauses der Geschichte strömten, bis die ratlose Veranstalterin ihre Gäste doch lieber in den großen Saal schickte.

Dort eröffnete Daud Sadozae, ein Freund Schimmels, den Abend. In ein einfaches Gewand gehüllt, setzte er sich auf ein Podest und spielte auf einem Rabab, einem afghanischen Saiteninstrument, ein arabisches Lied, dass zu Schimmels Lieblingsstücken gehört haben soll.

Dem westlichen Gehör ergab sich nicht gleich die Melodie, doch der schwungvolle Geist der Komposition sagte viel über die Lebenslust dieser Frau. Im gleichen Geiste las Hempel-Soos orientalische Lieblingsgedichte Annemarie Schimmels vor. Gedichte darüber wie jeder Anfang noch etwas Neues beginnen lässt vom Ägypter Taha Hussein.

Ein uraltes Liebesgedicht des Afghanen Maulana Dschelalledin Rumi. Aber auch ein sehr ironisch verschnittener Text von Friedrich Rückert: "Der Abendländer im Morgenland" ist eine bittere Beschwerde Rückerts, der sich durch Studium der Bräuche und das Anlegen traditioneller Gewänder auf seine erste Konstantinopelreise vorbereitete, dort aber schon im 19 Jahrhundert nur Herren in Anzügen mit sehr westlicher Lebensauffassung begegnete.

Ein großer Teil des Abends war Annemarie Schimmels eigenen Texten gewidmet. Hempel-Soos las zwei Kapitel aus dem autobiographischen Buch "Mein Bruder Ismail, Erinnerungen an die Türkei" vor. In diesem Bericht springt Schimmel laufend zwischen nüchterner Dokumentation, Schwärmerei und merkwürdigen bis witziger Anekdoten, hin und her, die ihr in den 1950ern in Istanbul und Ankara zugestoßen sind.

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