Künstler feiert Geburtstag Vollblutmaler und Provokateur Baselitz wird 80

Bonn · Der Schock funktioniert immer noch, sagt der Maler Georg Baselitz, der an diesem Dienstag 80 Jahre alt wird. Vor allem durch seine ruppige Kunst polarisierte er zuerst in der Malerei, später mit der Kettensäge an Holzskulpturen.

 Georg Baselitz in der Fondation Beyeler vor seinem Gemälde „Der Brückenchor“ (1983).

Georg Baselitz in der Fondation Beyeler vor seinem Gemälde „Der Brückenchor“ (1983).

Foto: picture alliance / Patrick Strau

Gerade hat er in der „Zeit“ versprochen, er werde weitermalen: „Warum sollte ich aufhören? Sie meinen wohl, ich sei zur Einsicht gekommen. Ich komme nicht zur Einsicht. Ich bin unvernünftig und bleibe dabei.“ Neben viel rechtem politischem Geraune, das Georg Baselitz sonst noch im Interview von sich gab, war das die Meldung des Tages.

Während seiner häufigen depressiven Phasen denke er ans Aufhören, verrät er in einem anderen Interview, dass im Katalog der gerade eröffneten Schau in der Basler Fondation Beyeler erschienen ist, stellt aber fest: „Das geht natürlich nicht.“ Wenn er mal wieder im Krankenhaus liege, denke er nicht ans „Schlussmachen, sondern wie die neuen Bilder aussehen, wie es weitergehen könnte“. Als sensiblen, hadernden, feinnervigen Künstler lernt man Baselitz hier kennen, nicht als den Provokateur und Sprücheklopfer, als der er ebenfalls gerne Schlagzeilen macht.

Am Dienstag wird er 80, die Phase, in der man von Alterswerk sprechen kann ist schon länger angebrochen. In den vergangenen Jahren habe er sich ausnahmslos mit Bildern beschäftigt, „die ich schon mal gemalt habe“. Der Methodenwechsel interessiere ihn, die „Methode de Kooning, die Methode Auerbach, die Methode Ostasien“. „Remix“ nannte er die ungewöhnlich leichte und lockere Neubeschäftigung mit seinen früheren Werkphasen. Neueste Bilder seien Meditationen über die Vergänglichkeit, sagt er.

Der seit 2013 in Salzburg lebende Baselitz bewegt sich also im Rahmen seines Koordinatensystems, so wie der alte Zampano der Malerei, Gerhard Richter, intensiv und impulsiv das eigene künstlerische Erbe ventiliert. Beim dritten Zampano, Markus Lüpertz, mutet das Recyceln weniger inspiriert an. Sigmar Polke, der vierte und sicherlich spannendste im Bunde, ist leider tot.

Auch im Westen ging der Kampf weiter

80 Jahre, das bedeutet im Fall des 1938 als Hans-Georg Kern in Deutschbaselitz in der Oberlausitz geborenen Künstlers, die Erfahrung zweier kollabierender Systeme, das Trauma der Flucht, das zerbombte Dresden vor Augen, die Diffamierung als Künstler in der DDR, dem „gesellschaftspolitische Unreife“ vorgeworfen wurde.

Auch im Westen, in den der 19-Jährige dann übersiedelt war, ging der Kampf weiter. Baselitz eckte mit dem onanierenden Knaben auf „Die große Nacht im Eimer“ (Kölner Museum Ludwig) und „Der nackte Mann“ an, wurde der Pornografie bezichtigt. Seine ruppige Kunst polarisiert, zuerst die Malerei, später die mit der Kettensäge grob bearbeiteten Holzskulpturen („Dresdner Frauen“, 1990).

Die 1960er waren auf die bunte, schrille Werbeästhetik der Pop-Art einerseits und die Minimal-Art andererseits gepolt. Nichts für Baselitz. Wütend, düster, mit dicker Farbe und grobem Strich malte er gegen diesen Zeitgeist an. Seine den Ruinen der deutschen Katastrophe entwachsenen, gleichermaßen pathetischen wie geschundenen, monumentalen „Helden“ (1965) sind das unbequeme Personal jener Zeit. Ende des Jahrzehnts beginnt Baselitz, seine expressive Malerei, in der er Brücken zu den deutschen Expressionisten und Willem De Kooning schlägt, vom Motiv zu befreien – und stellt die Bilder kurzerhand auf den Kopf.

Anlässlich seiner großen Werkschau 2004 in der Bonner Bundeskunsthalle sagte er dieser Zeitung dazu: „Die Irritation finde ich wunderbar. Ich versuchte – jenseits der totalen Abstraktion – der Fatalität der Realität, dem Vergleich mit dem Realen zu entrinnen. Ich wollte den Gegenstand behalten. Aber: Wie komme ich zum neuen Bild? Ich ließ die Gegenstände fliegen, malte eine Feuerbach-Landschaft verkehrt herum, isolierte sie aus der Umgebung.“ „Der Schock funktioniert immer noch“, freute er sich damals.

Auch kopfunter bleibt Malduktus lange heftig und grob, selbst wenn er sich wie im fulminanten, aggressiven 18-teiligen Zyklus „Straßenbild“ (Kunstmuseum Bonn) Piero de la Francesca und Balthus widmet.

So wie er bei „Remix“ frühere eigene Bilder wieder befragte, so rekapitulierte er mit den „Russenbildern“ autobiografische Erinnerungen. Verstörend geriet seine 2012 entstandene Serie der „Schwarzen Bilder“, in denen Motive als „Phantome in einem Allover der Düsternis“ erscheinen, wie die „Welt“ schrieb. Etliche Kritiker verrissen diese Serie, mit der er als „Meister der schwarzen Romantik“ 2014 im Münchner Haus der Kunst gefeiert wurde. Baselitz Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: „Pandemische Verblödung“ warf er den Kritikern vor.

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