Bonner Oper Volker Pispers - Bestechend, aber auch irritierend

BONN · Zunächst: Natürlich hat er hat ihn verdient, diesen donnernden Applaus. Für ein geballtes, hochgradig verdichtetes und zornsprühendes Programm erster Güte. In der ausverkauften Bonner Oper war erneut ein politkabarettistischer Grand Slam zu erleben: Volker Pispers live, 160 Minuten, die Pause nicht eingerechnet.

 Kein Wort zum NSU-Prozess: Kabarettist Volker Pispers.

Kein Wort zum NSU-Prozess: Kabarettist Volker Pispers.

Foto: dpa

Und auch wenn der Mann unterm Strich wieder mal überzeugt - der langjährige, geneigte Beobachter kommt nicht umhin, deutliche Abzüge in der B-Note zu notieren. NSU-Prozess, die umstrittene Platzvergabe an die Medien, Beate Zschäpes erster Auftritt im Gerichtssaal? Fehlanzeige.

Kein einziges Wort dazu ist von Pispers zu hören. Seltsam, gell? Da wäre von einem Politkabarettisten seines Kalibers doch mehr zu erwarten gewesen. Stattdessen wird im jüngsten Update seines Erfolgsprogramms "Bis neulich" eine alte Mär rund um den Sarrazin-Bestseller "Deutschland schafft sich ab" wiedergekäut. Das Werk sei in einem "obskuren Kleinstverlag" erschienen.

Die Deutsche Verlags-Anstalt (DVA) gilt als renommiertes Haus für politische Sachbücher. Obskurer Kleinstverlag? In Vorabdrucken habe dann die böse "Bild"-Zeitung die Sarrazin-Thesen verbreitet und das Buch beworben. Das ist richtig, aber bloß die halbe Wahrheit. Was Pispers regelmäßig verschweigt, ist, dass auch der "Spiegel" vorab Auszüge druckte. Und dann macht sich Volker Pispers über Julia Timoschenko lustig, was schon einigermaßen irritierend ist.

Laut seiner Darstellung ist die Frau aus guten Gründen in der Ukraine inhaftiert. Pispers beginnt mit einem dubiosen Wortspiel: "Die Timoschenko sitzt im Gefängnis, nein, sie liegt im Gefängnis, sie hat's ja an der Bandscheibe, weil sie den ukrainischen Staat durch private Geschäfte um Milliarden betrogen hat." Wohlgemerkt: Pispers sagt nicht "betrogen haben soll", sondern "betrogen hat".

Dabei hat erst vor wenigen Tagen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Untersuchungshaft der Oppositionspolitikerin für "willkürlich und rechtswidrig" erklärt. Aber mit Aktualisierungen steht Meister Pispers ja gelegentlich auf Kriegsfuß.

Groß aufzutrumpfen vermag er hingegen auf dem ausufernden Bereich wirtschaftlicher Beziehungen, wie gewohnt mit einem monströsen Zahlenwerk unterfüttert, in dem er sich allerdings gegen Ende auch ein wenig verheddert. Schließlich bricht Pispers eine Lanze für die Piratenpartei: "Das sind doch alles Spinner, heißt es überall. Da sind Sie in Bonn doch richtig erleichtert, dass das WCCB nicht von diesen Spinnern geplant wurde, sondern von seriösen Politikern, die sich auf Haushaltsdisziplin verstehen."

Von der SPD erwartet er jedenfalls überhaupt nichts mehr. Pis-pers spricht nur noch von der "Arbeiterverräterpartei".

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