Verschwinde aus meinem Leben

Von Elchen und schwedischen Großmüttern in der Bonner Oper: Viktoria Tolstoy und Nils Landgren gestalten eine skandinavische Jazznacht - Das Volkslied "Jag yet en dejlig rosa" zählt zu den Höhepunkten

  Wer sie sieht,  denkt an "Prinzessinnen-Torte": Viktoria Tolstoy und Nils Landgren in der Oper.

Wer sie sieht, denkt an "Prinzessinnen-Torte": Viktoria Tolstoy und Nils Landgren in der Oper.

Foto: Horst Müller

Bonn. Die "Prinzessinnen-Torte" - zuckersüß und von einer dicken Schicht rosa Marzipan überzogen - gilt in Schweden als Nationalgebäck: Bei Geburtstagsfeiern ist sie Pflicht, und ein Exemplar lagert in den meisten Tiefkühltruhen auf Vorrat.

Der Gedanke an dieses Zuckerwerk blitzte unwillkürlich auf, als Viktoria Tolstoy die Opernbühne auf glitzernden Stilettos, im schleifenverzierten blau-rosa Kleidchen betrat, mit ihren blonden, langen Haaren eine mädchenhafte Jazz-Prinzessin.

Die Ur-Urenkelin des weltberühmten russischen Schriftstellers eröffnete die "Scandinavian Jazznight" in der Bonner Oper - zunächst ohne ihren musikalischen Ziehvater Nils Landgren - mit "Grandma's Song", dem ersten Titel ihres aktuellen Albums "My Swedish Heart", auf dem schöne schwedische Traditionals (umarrangiert und meist mit englischen Texten versehen) zu finden sind.

Ihr aus jungen Landsmännern bestehendes Trio, Rasmus Kihlberg (Schlagzeug), Martin Sysostead (Bass) und Jacob Karlzon (Klavier), beeindruckte neben seiner Virtuosität vor allem durch die verspielten Arrangements, die dramaturgisch geschickte und mitreißende Dynamik, die effektvolle Kreuzung von Jazz, Pop und Rock.

Ungemein fesselnde Interpretationen, gekrönt von Tolstoys kraftvoller Stimme, waren das Hörergebnis, auch wenn es der Vokalistin insgesamt an Bühnenpräsenz und manchmal an stimmlicher Nuancierung mangelte. Das Durchschnittsalter der Bühnencrew erhöhte sich schlagartig beim Auftritt Nils Landgrens, wobei sich der mit seinem berühmten roten Instrument bewaffnete Posaunenvirtuose als humorvoller Entertainer mit ausgezeichneten Deutschkenntnissen entpuppte.

Mit einer von Jacob Karlzson komponierten Ballade gab Landgren zunächst sein Gesangsdebüt, seine leicht brüchig klingende, warme Stimme verschmolz atmosphärisch mit Tolstoys Gesang. Bei dem Funkklassiker "Get Out Of My Life Woman" griff Landgren dann zur Posaune, wobei sein Kopf während des rasanten Solos immer mehr die Farbe seines Instruments annahm.

Die tendenziell schnulzigen Gesangs-Duette mit Tolstoy (Ausnahme: das wundervolle Sting-Cover "Fragile") brach Landgren, gewollt oder ungewollt, ironisch durch seine Körpersprache, die Augen unberührt in die Ferne gerichtet, die Hände lässig in der Hosentasche oder wie zum Gebet gefaltet. Bedauerlicherweise bekam das Opernpublikum nur eine Komposition in der Landessprache der Musiker zu hören, "Jag yet en dejlig rosa", ein Volkslied, zählte mit seiner Schlichtheit und dem intimen Arrangement - Klavier, Posaune und Stimme - zu den Höhepunkten.

Bei der letzten Zugabe demonstrierte Landgren mit dem "Elchlied", einer Solo-Nummer für Posaune, alle Facetten seiner Spielkunst: Die zarte, melancholische Anfangsmelodie ging über in dröhnende, elefantengleich klingende Soundcluster, mehrere Klassiker (zum Beispiel "Smoke On The Water") fielen einem meisterhaften und respektlosen Medley zum Opfer. Für diese Leistung gab es Standing Ovations.

Die nächsten "Jazz in der Oper"-Veranstaltungen finden am 9. September ("Mozart meets Cuba - Klazz Brothers & Cuba Percussion") sowie am 24. Oktober ("Quadro Nuevo") statt.

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