Beethoven Orchester Bonn Verneigung vor der Musikstadt

BONN · Wenn die tiefen Streicher zu Beginn der eigentlich langsamen Einleitung der zweiten Sinfonie des Franzosen Étienne-Nicolas Méhul in raschem Schwung aufwärts stürmen, ist man für einen Augenblick geneigt, an Beethovens ein Jahr zuvor uraufgeführte fünfte Sinfonie, namentlich an das Trio des Scherzos, zu denken.

 Spitzentöne bei Rossini: Solistin Marina de Liso und Attilio Cremonesi mit dem Beethoven Orchester.

Spitzentöne bei Rossini: Solistin Marina de Liso und Attilio Cremonesi mit dem Beethoven Orchester.

Foto: Martina Reinbold

Überhaupt kreiste das Programm des jüngsten Freitagskonzertes des Beethoven Orchesters um Ludwig van Beethoven, ohne dass eine Note des Komponisten gespielt worden wäre. Nun ist Méhul keineswegs ein Beethoven-Epigone. Das sinfonische Werk insgesamt ist überhaupt eher ein Nebenprodukt aus der Schaffenswerkstatt des von Beethoven sehr geschätzten Opernkomponisten Méhul, die Sinfonie als Gattung hat ihn überhaupt nur zwei Jahre lang beschäftigt.

Der italienische Dirigent Attilio Cremonesi, ein Fachmann insbesondere für alte Musik, ging das Opus in der nur mäßig besuchten Beethovenhalle beherzt an. Aber um es wirklich zum Leben zu erwecken, braucht es doch mehr an Innenspannung, an Differenzierung, als an diesem Abend zu hören waren.

Als Übergang zur zweiten Sinfonie des in Bonn geborenen Beethoven-Schülers und -Vertrauten Ferdinand Ries fungierten Arien zweier italienischer Komponisten, die von der Mezzosopranistin Marina de Liso mit Verve und Hingabe gesungen wurden: Stefano Pvesis "Chi serba nel petto" sowie Gioachino Rossinis "Se per l'Adria il ferro strinsi" und "Tu non sai qual colpo atroce" aus "Bianca e Falliero". Vor allem in der ersten Rossini-Arie mit ihren Spitzentönen gefiel die am Barock geschulte Gesangstechnik.

Ries' Sinfonie entstand in einer Zeit, als der Komponist nach Jahren in Bonn, München, Wien, Paris und einer ausgedehnten Konzertreise durch Russland sich in London niederließ. Noch bevor er zum Direktor der dortigen Philharmonic Society berufen wurde und in dieser Funktion bei Beethoven die Komposition der neunten Sinfonie in Auftrag gab, stellte er sich an der Themse mit seiner eigenen Sinfonie Nr. 2 in c-Moll vor.

Sie erinnert zwar durchaus an Beethoven, man spürt aber auch, dass er eigene Wege gehen will, die schon in Richtung Mendelssohn vorauszuweisen scheinen. Und das ist das eigentlich Spannende an dieser Musik, die vom Beethoven Orchester unter Cremonesi mit mehr Leidenschaft gespielt wurde als das Werk von Méhul. Das gilt für die Dramatik des ersten Satzes ebenso wie für das unschuldig melodiöse Andantino oder das mit schönen Holzbläserfarben und dramatischen Akzenten durchsetzte Menuett.

Nach dem Finale, das nach ernsten Ton des Menuetts ein bisschen konventionell daherkommt, verneigte sich Cremonesi in einer sympathischen Ansprache bildhaft vor der Musikstadt Bonn, die Beethoven und Ries hervorgebracht habe und über ein so tolles Orchester verfüge. Als Zugabe folgte die Ouvertüre zu Rossinis "Italienerin in Algier".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort