An der Bonner Oper Verdis tödliches Kammerspiel "Troubadour" ist rundum ein Genuss

Verdis "Trovatore" auf die Bühne zu bringen, meinte Enrico Caruso, sei ganz einfach. Man brauche dazu nur die vier weltbesten Stimmen. Das kann sich die Bonner Oper, unentwegt zum Sparen angehalten, finanziell derzeit nicht leisten (und in Zukunft erst recht nicht), aber dank einer klugen Ensemblepolitik in der Intendanzzeit von Klaus Weise verfügt sie über eine großartige eigene Sängerriege, die mit Recht am Ende des melodiengesättigten düsteren Dramas ausgiebig umjubelt wurde.

 Manrico und Leonora: Tenor George Oniani und Sopranistin Irina Oknina liefern eine große Partie ab.

Manrico und Leonora: Tenor George Oniani und Sopranistin Irina Oknina liefern eine große Partie ab.

Foto: Thilo Beu

Ganz ohne Gast ging es freilich nicht. Für die Partie der Azucena, die bei der Uraufführung 1853 sozusagen die Emanzipation des Mezzosoprans in der Operngeschichte bedeutete, hatte man sich die Deutsch-Griechin Chariklia Mavropoulou geholt, eine Sängerin mit einer voluminösen Stimme, die zum Pathos durchaus die Poesie fügen kann. Das klang bei aller wilden Leidenschaft, die man für die Rolle der von Hass und Rache beseelten Zigeunerin braucht, vokal bestechend kontrolliert.

Verdi hat es seinen Sängern beim "Trovatore" nicht leicht gemacht, die Partien erfordern durchweg viel Kraft und noch mehr Höhen. Für die berühmten hohen Cs seines eigentlichen Troubadours Manrico allerdings kann er nichts, die haben sich aus der Aufführungsgeschichte ergeben. Darauf zu verzichten kann sich natürlich kein Tenor mehr leisten, George Oniani bewältigte sie in Bonn strahlend schön, wie ohnehin seine Stimme in hohen Lagen richtig aufblüht. Für den Grafen Luna, den Widersacher in der Liebe und in der Politik, hatte der Bariton von Mark Morouse die nötige Eleganz und zudem einen gehörigen Schuss Abgründigkeit.

Der Vierten in diesem Quartett der großen Stimmen, der Sopranistin Irina Oknina (Leonora), würde man auf jeden Fall schon einmal die schauspielerisch eindringlichste Leistung zugestehen. Sie stirbt in Bonn freilich nicht nur die berührendsten Bühnentode, sondern beeindruckt auch mit einer reichen stimmlichen Palette von sanfter Innigkeit bis zu dramatischer Wucht. Und Koloraturen sind bei ihr immer auch ein Stück Seelenspiegel.

Es war also nicht zuletzt eine Premiere für die Freunde bemerkenswerter Stimmen, die gleich zu Beginn schon in der einleitenden Erzählung des Ferrando mit dem satten Bass von Ramaz Chikviladze auf ihre Kosten kamen. Susanne Blattert und Mark Rosenthal überzeugten in kleineren Partien, Bonns Opernchor schließlich (Einstudierung Sibylle Wagner) war wie immer ein ganz großes Plus der Aufführung. Das Beethoven Orchester unter Robin Engelen sorgte für reichlich emotionale Glut und Zuspitzung.

Liebe und Eifersucht, Hass und Rache

Dem "Trovatore" hängt das Verdikt einer ziemlich ungereimten Handlung nach. In der Tat kommt hier vieles zusammen: Liebe und Eifersucht, Hass und Rache in geradezu archaischer Ausprägung, Kindsverwechslung und Menschenverbrennung, eine Frau zwischen zwei Männern und zwei politischen Lagern, die Front zwischen Reichen und Rebellen, Wahnvorstellungen, Krieg und Opfertod - ein Opern-Thriller, der mit den Gesetzen der Logik sehr frei umgeht.

Regisseur Dietrich W. Hilsdorf, dem man in Bonn (fast) immer hoch spannende Opernabende verdankt, bringt das Kunststück fertig, all diese auseinanderstrebenden Elemente in ein Psychodrama zu integrieren, das nach einem eher beiläufigen Beginn eine eigene Dynamik entwickelt. Dieter Richter hat ihm dazu auf der Drehbühne Räume gebaut, die die Bühne eng machen, so wie sich das Geschehen immer mehr in Richtung Ausweglosigkeit entwickelt.

In diesem tödlichen Kammerspiel hält sich Hilsdorf offenbar an die Grundlinien seiner Essener "Trovatore"-Inszenierungen von 1991 und 2001. Da interessierte ihn vor allem, wie Gewalt in einer Gesellschaft eskaliert, wie eine Minderheit, in diesem Fall die Zigeuner um Azucena und Manrico, unterdrückt wird.

Der Mensch ist zum Schlimmsten fähig, sagt Hilsdorf - und er führt das drastisch vor Augen: Auspeitschen, Foltern, Verstümmeln, Blenden; eine Christusfigur wird zum mörderischen Spiel missbraucht. Die beklemmendste Szene kommt ganz leise und perfide daher: Luna, der der Hinrichtung seines Feindes Manrico entgegensieht, dirigiert zur Todesanordnung mit leichter Hand betörende Verdi-Musik, die aus dem Lautsprecher kommt. Die Schlächter und ihre Liebe zur Musik - die Geschichte kennt da einige Parallelen.

Auf einen Blick:

  • Die Oper: Eine bizarre Schauergeschichte um Kindsverwechslung und Menschenverbrennung mit einer Fülle von herrlichen Melodien
  • Die Inszenierung: Ein packendes Psychodrama und eine beklemmende Studie über die Bereitschaft zur Gewalt
  • Die Musik: In allen Partien perfekt besetzt. Chor und Orchester in bester Form

Die nächsten Aufführungen: 30. März, 9., 14. und 21. April, 3., 20. und 24. Mai. Karten unter anderem in den Bonnticket-Shops in den Geschäftsstellen des General-Anzeigers und bei bonnticket.de.

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