Jahresausstellung im Kölner Kolumba-Museum Vasen in Ekstase

Die erste Warnung liegt auf dem Foyerboden: Zwei ölverschmierte Seevögel reisen in einer Glaskiste per Floß ins Totenreich, wobei ein Hanfseil wie eine Nabelschnur zu einem Glaskolben voll reinen Wassers führt. "Keine Kunst aber Tatsachen", nannte Felix Droese dieses ökologische Memento mori.

 "Christus in der Rast", eine Novität im Haus.

"Christus in der Rast", eine Novität im Haus.

Foto: Kolumba

So komplex und beklemmend ist (fast) die ganze Kolumba-Jahresschau, die unter dem Titel "Der rote Faden" Strategien des Erzählens in der bildenden Kunst erforscht. Als Keimzelle des Konzepts nennt Direktor Stefan Kraus die Chance, einen 20-teiligen Bildzyklus mit der Legende des heiligen Severin während der Sanierung der gleichnamigen Kölner Kirche als Leihgabe zu bekommen.

Die Bilder des Meisters der Ursulalegende (um 1500) mäandern nun durchs lichte zweite Obergeschoss, zeigen Severin als Heiler der Verkrüppelten oder gar beim Erwecken eines Toten in auftrumpfender Erlöserrolle.

Sieht man hier episch-ausschmückendes Erzählen, so verdichtet ein neu erworbenes Hauptwerk des Hauses eine vielschichtige Geschichte in einem Motiv: Die oberrheinische Holzskulptur "Christus in der Rast" (um 1480) zeigt einen traurig-versonnenen Schmerzensmann und wirkt wie ein Requiem vor dem Tod.

In der Passionsgeschichte Jesu (mit kostbarsten Stücken im "Armarium" erzählt) liegt der motivische Kern der Ausstellung - von hier aus wird mit blutigem Erzählfaden das weite Feld kreatürlichen Leidens vermessen. So beschwört Marcel Odenbachs lange nicht gezeigte Videoinstallation "In stillen Teichen lauern Krokodile" den Völkermord in Ruanda. Mit Szenen von Mord und Leichen, aber vor allem mit der Pogromhetze der Hutu gegen die Tutsi.

Gleich um die Ecke scheint ein titelloses Keith-Haring-Bild genau diese Art von Keulenschlag-Propaganda zu zeigen. Solche blitzgescheit ausgelösten Assoziationen sieht man hier oft.

Zwar lehnt Michael Buthes "Wanderer" inmitten des Severins-Zyklus ermattet an der Wand, doch längst begnügt sich Kolumba nicht mehr damit, alte und neue Kunst zu konfrontieren. Dafür sieht man Otto Dix' selten komplett gezeigten Grafik-Zyklus "Der Krieg", der in 50 Momentaufnahmen zerfetzte Soldatenkörper, Pferdekadaver oder Luftkriegspanik zeigt.

Meditativer, aber ebenso eindringlich: Rebecca Horns "Berlin Earthbound", jene Installation mit "vogelfreiem" Koffer, in dem der rote Faden zum Davidstern wird. Daneben Kurt Bennings letztes Foto seines 1945 gefallenen Vaters, als Negativ im Leuchtkasten zum gespenstischen Zeitzeugnis vergrößert.

Erst ganz oben, im Südturm, löst sich die Klammer der düsteren Themen. Hier inszeniert Anna Blume jene Fotoarbeiten, die sie mit ihrem 2011 gestorbenen Ehemann Bernhard Johannes schuf, fast wie einen Flügelaltar. In diesen ver-rückten Szenen laufen Dinge Amok: Vasen geraten in Ekstase, geometrische Formen krachen, von Geisterhand beschleunigt, in verdutzte Gesichter. Die Welt ist aus den Fugen.

Mit diesen um Frühwerke ergänzten und von einer Bodenarbeit abgerundeten Schau setzt Kolumba den monografischen Schwerpunkt. Kraus räumt ein, dass man damit auch einer Kritik der anwesenden Anna Blume Rechnung trug, die einmal über die kümmerliche Präsenz des Künstlerpaars in einer Schau des Hauses klagte.

Nun darf sie ihren luftigen Seiltanz zwischen Transzendenz und Nonsens, Heidegger und Dadaismus still genießen. Denn Vorträge lehnt sie ab: "Ich bin keine Theoretikerin oder Intellektuelle, sondern eine einfache Künstlerin." Von wegen!

Eigentlich müsste man noch über die angedockten "Shopmovies" von Olaf Eggers und jene Lesenachmittage sprechen, die Ensemblemitglieder von Schauspiel Köln ab 26. 9. jeweils Samstags um 15 Uhr veranstalten. Doch halten wir lieber fest, dass Ausstellungen von Kolumba nicht nur Kunst zeigen, sondern selbst Kunstwerke sind.

Bis 22. 8. 2016, tgl. außer Di 12-17 Uhr, heute geöffnet. Kolumbastr. 4. www.kolumba.de

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