Unwiderstehlich: Zimmermann im Bonner Beethoven-Haus

Der Zuhörer kann nur mit den Ohren schlackern

Bonn. Wer sich immer schon daran gestoßen hat, dass die Bratsche noch viel mehr als die Altstimme ein kaum beachtetes Mauerblümchendasein fristet, wird sich erst recht darüber wundern, wenn er Tabea Zimmermann hat spielen hören.

Wenn sie, wie jetzt bei ihrem Kammerkonzert im Beethoven-Haus, für die Vorführung der Viola als unwiderstehliches Solo-Instrument das Beste von Geigen- und Celloton zusammenführt, kann der Zuhörer ob des Volumens und der Brillanz nur mit den Ohren schlackern.

Wollte man es in Farben ausdrücken: Der Klang ist irgendwo zwischen bordeauxrot und schokoladenbraun, veredelt durch einen sanften Schimmer - ganz wie das Kleid, das Tabea Zimmermann an diesem Abend trägt.

Der Klang ändert sich nur, wenn der Komponist persönlich es verlangt: "Tonschönheit ist Nebensache" hat Paul Hindemith über den schnellen Satz seiner Viola-Sonate op. 25 Nr. 1 geschrieben und damit den Anlass für viele Schmähungen seiner Kritiker geliefert, aber anders käme die wilde Akkordraserei auch nicht von der Stelle. Als Kontrast gibt es vorher die von Zimmermann expressiv ausgespielte, einstimmige Kantilene des dritten Satzes: "Sehr langsam".

Mit Spielwitz und einem Hauch von Wiener Salonschmäh präsentiert die nun am Flügel von Hartmut Höll adäquat begleitete Solistin fünf Spaßstückchen von Fritz Kreisler. Täuschend echt wirkende Imitationen von Dittersdorf und Boccherini sind dabei, und ein "Wiener Miniaturmarsch", in dem Zimmermann mit schwungvollem Auf- und Abstrich adrette Spielzeugsoldaten vorbeiparadieren lässt.

Nach der Pause folgt Mozarts G-Dur-Sonate für Violine und Klavier (KV 379). Weich, fast zärtlich klingt in der für Viola bearbeiteten Fassung der Dialog zwischen Bratsche und Klavier; Leben und Wärme atmet auch der abschließende Variationssatz.

Ganz groß auftrumpfen darf das Stiefkind der Streicherfamilie noch einmal in der wenig bekannten, 1919 bei einem britischen Kompositionswettbewerb prämierten Sonate von Rebecca Clarke: Der mit harmonischen Rückungen, Pentatonik und exotischen Girlanden verschwenderisch ausgemalte Impressionismus verlangt einen großen Ton, und den hat Tabea Zimmermann.

Mögen auch die Stilmittel der englischen Komponistin mitunter reißerisch daherkommen, diese Bratsche hat sich jedes Tremolo und jede Fanfare verdient. Großer Applaus im Beethoven-Haus für einen tollen Konzertabend.

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