Unter dem roten Stern

Die chinesische Pianistin Zhao Ling im Beethoven-Haus Bonn

Bonn. "Wunder-, wunderschön" sei die Landschaft am Liyuang-Fluss in China, schwärmte die Pianistin Zhao Ling, bevor sie die Hommage an den Strom im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses darbot. Der Komponist Wang Jianzhong lässt recht realistisch die Wellen plätschern und die Wogen brausen, erzählt aber auch vom atmosphärischen Zauber der Landschaft. So passte das Stück bestens zu dem Motto "Musikalische Erzählungen", unter dem der Klaviersommer in diesem Jahr steht.

An pianistischer Verve ließ es die Interpretin nicht mangeln, die Musik entwickelte unter ihren Händen eine bezwingende Sogkraft. Ebenso bestechend gelangen ihr drei weitere Stücke, allesamt chinesische Varianten europäischer Programmmusik: das feinsinnige Zwiegespräch zwischen dem Saiteninstrument Zheng und dem Blasinstrument Xiao, das pathetische Miniaturepos vom heroischen Widerstand am Shonghua-Fluss und "China unter dem roten Stern", letzteres ein höchst quirliges, mit Schwierigkeiten gespicktes Werk.

Die pianistischen Herausforderungen, die häufig an Lisztsche Etüden erinnerten, meisterte Zhao Ling fabelhaft. Frappierend nuancenreich gestaltete sie Maurice Ravels "Valses nobles et sentimentales", offenbarte einen wachen Sinn für die schwebende Zartheit der duftigen Melodien, für den Zauber berückender Klangspiele, und erlaubte sich eine wunderbare Langsamkeit und dynamisches Verlöschen in der Schlusspassage.

Der Schatten einer seltsamen Unentschiedenheit hingegen lag über den Schumannschen Papillons, mit denen Zhao Ling den Abend eröffnet hatte. Anders die "Kreisleriana" als Schlussstück, ein musikalisches Porträt des eigenwilligen, exzentrischen Kapellmeisters Kreisler, das Zhao Lings tiefgründiges Spiel mit aller gebotenen Deutlichkeit nachzeichnete.

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