Interview mit Philharmoniechef Langevoort „Unser Haus braucht ein Umfeld“

Erfolge und Ärgernisse: Intendant Louwrens Langevoort spricht im Interview über 30 Jahre Kölner Philharmonie. Er sagt: "Das Haus ist offener geworden."

Die Philharmonie besteht seit drei Jahrzehnten – würde man sie heute anders bauen?

Louwrens Langevoort: Einerseits: Das Haus ist schön, es hat im ganzen Saal eine perfekte Akustik, und man sieht von allen Plätzen gut.

Und andererseits?

Langevoort: Aus heutiger Sicht könnte man die nicht so große Flexibilität beklagen. Es ist ein Haus für die großen Sinfonieorchester, wobei die Akustik eben auch für ein Kammerorchester oder ein Streichquartett ideal ist. Was fehlt, sind Möglichkeiten, auf die jetzige Musik einzugehen, ob es Rock oder Pop ist. Und bei der elektronischen Musik macht es die Trichterform des Saals schwer, die Lautsprecher richtig zu platzieren.

Welches moderne Haus ist flexibler?

Langevoort: In der Philharmonie von Paris kann man den Bühnenbereich mit einem Tastendruck vergrößern, man kann das Parkett wegnehmen und bekommt einen großen Raum – das stelle ich mir schon ganz interessant vor. Aber unser Haus ist gut, und ich kann die Geschichte nicht ändern. Warum sollte ich unglücklich sein?

2004 hat sich der Rat gegen einen Kammermusiksaal entschieden. Ein Fehler?

Langevoort: Ein solcher Saal hätte in unmittelbarer Nähe zur Philharmonie liegen müssen, und ich hatte an den Hackenberg-Platz gedacht. Dazu ist es nicht gekommen. Allerdings fassen viele dieser Kammermusiksäle etwa um die 500, 600 Besucher, während bei uns für ein Streichquartett auch schon mal über 1000 Karten verkauft werden. Es gibt also schlechtere Entscheidungen, die Köln damals getroffen hat.

Welche?

Langevoort: Man hätte die Renovierung der Bühnen anders regeln können. Und bei allem, was ich heute höre, denke ich sofort an den Berliner Flughafen: Am Ende wären Abriss und Neubau billiger als zu renovieren.

Sie haben offiziell am 1. August 2005 angefangen. Was ist seitdem für Sie die gravierendste Änderung im Musikmarkt und beim Publikum?

Langevoort: Vielleicht nichts Gravierendes, man spürt aber einen gesellschaftlichen Wandel. So hat sich 2005 ein Operettenkonzert noch gut verkauft, aber das ist im Moment total weg.

Weil das Publikum ausstirbt?

Langevoort: Ich glaube eher, dass das Genre in einem Dornröschenschlaf liegt. Barry Kosky macht Berlins Komische Oper ja gerade zu einem kleinen Juwel, weil er die angestaubten Stücke wieder zu neuer Attraktivität führt. Wir versuchen, die als Gastspiele zu bekommen, was schon einmal geklappt hat.

Andere Veränderungen?

Langevoort: Wir machen mehr Musik in andere Richtungen: Weltmusik, die Zusammenarbeit mit der c/o pop – das Haus ist offener geworden.

Sie haben bekanntlich viele Formate der Musikvermittlung erfunden ...

Langevoort: Wir haben 2006 mit „Philharmonie-Lunch“ und „-Veedel“ angefangen. „Lunch“ ist in den Herzen vieler Kölnerinnen und Kölner angekommen. Die Babykonzerte waren vom ersten Tag an ein Renner und sind es noch immer. Bei den „Veedel“-Konzerten waren es damals 30, heute 80, womit wir an die Grenze unserer Möglichkeiten geraten.

Und wie verhält es sich mit „Philharmonie TV“?

Langevoort: Reiht sich hier gut ein: Es ist ein weiteres niedrigschwelliges Angebot, um Menschen für Musik zu begeistern. Und natürlich können wir so Publikum auch international erreichen, wenn zum Beispiel Fans eines Orchesters aus Kanada dessen Kölner Konzert erleben möchten. Das ist nicht nur gut für die Philharmonie, sondern auch für den Ruf Kölns als Musikstadt.

Haben Sie damit Ihr Ideenpotenzial ausgereizt?

Langevoort: Nein, man muss immer wieder neue Initiativen ergreifen, das ist mein Job hier.

Was sind denn momentan die größten Ärgernisse – ratternde Rollkoffer auf dem Böll-Platz, laute KVB-Züge im Untergrund oder etwas anderes?

Langevoort: Gegenfrage: Würde es Ihnen Spaß machen, an einem Ort zu arbeiten, dessen Umgebung in elf Jahren nicht einen Tag ohne Baustelle war? Baustellen sind wichtig, aber sie sollten nicht zu Mülldeponien verkommen. Ich jedenfalls wünsche mir, dass eines der wichtigsten Konzerthäuser Europas in einem würdigen Umfeld steht.

Ein Wort zu „Acht Brücken“?

Langevoort: Ich bin sehr froh, dass die Stadt entschieden hat, dass es bleiben soll. Mit etwas weniger Geld, aber wir werden trotzdem ein großes Festival fortführen können. Wir sind ein bisschen stolz, dass wir in sechs Jahren aus dem Nichts etwas aufgebaut haben, das sich international sehen lassen kann.

Was sehen Sie als größtes Privileg Ihres Berufs?

Langevoort: Dass ich jeden Tag in ein Konzert gehen kann.

Tun Sie das denn?

Langevoort: Ich gehe nicht jeden Tag ins eigene Haus, aber an 15 Tagen im Monat schon. Und das ist schön, weil ich alle Arten von Musik mag.

Wie sehen Sie das Jubiläum?

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