Umjubelt: Hilsdorfs "Bohème" wieder an der Bonner Oper

Chor, Kinderchor und Beethoven Orchester runden musikalische Glanzleistung ab

Umjubelt: Hilsdorfs "Bohème" wieder an der Bonner Oper
Foto: Thilo Beu

Bonn. Dieser Schluss lässt einem das Blut in den Adern gefrieren: Nicht der Tod Mimis, durch Puccinis narkotisierende Musik mit Hollywood reifer Effizienz musikalisch höchst wirkungsvoll in Szene gesetzt, sondern der Umgang damit, macht regelrecht wütend:

"Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich - aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln, und das Leben geht weiter, als wär' man nie dabei gewesen", lässt Ödön von Horváth die Protagonistin seiner Komödie "Kasimir und Karoline" formulieren: Dietrich Hilsdorf hat dies seiner Bonner "La Bohème" von 2007, die jetzt wieder aufgenommen wurde, als in Migranten-Deutsch formuliertem Motto vorangestellt und damit - recht eigentlich - Camus' "Mythos des Sisyphos" zum Thema gemacht.

Mimi, die an der Schwindsucht, der Modekrankheit der Opernbühne des 19. Jahrhunderts, stirbt, stirbt nicht umsonst, aus ihrem Tod wird Kapital geschlagen: Marcello, der Maler, hat schon mal ein entsprechendes Querformat präpariert, Schaunard, der Musiker, greift - nicht minder inspiriert - schöpferisch in die Tasten, Colline, der Philosoph, denkt fleißig weiter und Rodolfo, der Dichter, der die Seele Mimis verletzt hat, eilt alsbald zu seiner Schreibmaschine, die er ohnehin mehr liebt, als jedwede Frau, um sich ein solches Sujet auf keinen Fall entgehen zu lassen: Hilsdorf am Boeselagerhof einmal mehr "at his best"!

Anspruchsvoll gesungen wird dies alles von George Oniani, Tenor, der höhensicher und mit Strahlkraft, Hilsdorfs Intension entsprechend folgend, seinen Rodolfo reichlich unterkühlt gibt, Lee Poulis, als ein mit lyrisch tenoralem Timbre "malender" Marcello, Martin Tzonev als Bass-markanter Philosoph Colline, und schließlich Giorgos Kanaris als lyrisch baritonaler Musiker.

Die Besetzung dieser vier studentischen Bohèmiens gelingt aus dem Bonner Ensemble außerordentlich homogen. Irina Oknina als Mimi scheint die Anlaufschwierigkeiten der Premiere bislang nicht überwunden zu haben, läuft dann aber schnell zu lyrisch feinfühliger Höchstform auf. Julia Novikova feierte in dieser Wiederaufnahmen mit flexibel mezzofarbenem Sopran ihr strahlendes Debüt als Musetta.

Der Chor unter Sibylle Wagner sowie der Kinderchor unter Ekaterina Klewitz zeigten sich besten präpariert. Das Beethoven Orchester lieferte unter Enrico Delamboyes Leitung einen idiomatisch verlässlichen, bisweilen übersüffigen Puccini ab.

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