Über Korruption, Lustreisen im Bonner Haus der Geschichte

Hans Leyendecker fordert in seinem Buch "Die große Gier" neue Wirtschaftsmoral

Über Korruption, Lustreisen im Bonner Haus der Geschichte
Foto: Franz Fischer

Bonn. Hans Leyendecker ist nicht derjenige, der sich mit Korruption und anderen Formen der Wirtschaftskriminalität resigniert und schulterzuckend abfindet.

Aussagen wie "So läuft es doch nun mal" sind für ihn kein Argument, die Hände in den Schoß zu legen. Dabei ist der leitende Redakteur der Süddeutschen Zeitung, der während seiner Zeit beim "Spiegel" vom 1979 bis 1997 zahlreiche Affären - darunter die Parteispendenskandale um Flick und Kohl - ans Licht brachte, wiederum weit davon entfernt, "alarmistisch" zu sein und einer Endzeitstimmung nach der anderen das Wort reden zu wollen.

Sachlich und souverän und vor allem frei von jeglichen eitlen Posen des Enthüllungsjournalisten per se stellte sich Leyendecker als Gast des Hauses der Sprache und Literatur im Haus der Geschichte seinem Bonner Publikum vor. "Die große Gier" heißt sein aktuelles Buch mit dem Untertitel "Korruption, Kartelle, Lustreisen - Warum unsere Wirtschaft eine neue Moral braucht".

Wer also insgeheim glaubt, Geschäfte bedürften tatsächlich einer gewissen Portion an Schmiermittel, dürfte womöglich enttäuscht sein. Oder sich im Anschluss an sorgfältig recherchierte und analysierte Fallbeispiele eines Besseren belehren lassen. Ohne erhobenen Zeigefinger und ohne moralinsauren Beigeschmack.

An deren Stelle tritt vielmehr Leyendeckers Solidarität mit denen, die nicht wegschauen mögen, wenn sich Kollegen auf unlautere Weise Vorteile verschaffen, wenn gemauschelt und betrogen wird. Der Fall einer "Whistleblowerin" - einer Informatin, die Missstände im eigenen Unternehmen aufdeckt - zeigt eindrucksvoll, welche Folgen es mitunter haben kann, seinem Gewissen zu folgen, wo andere abkassieren.

Damit verbunden ist Leyendeckers Forderung, diese Informanten künftig besser zu schützen. Wenn Wirtschaft einer neuen Ethik folgen soll, müssten aber vor allem auch härtere Sanktionen gegen Korruption verhängt werden. "Wir brauchen hierzulande ein Unternehmensstrafrecht nach englischem und amerikanischem Vorbild", schlägt Leyendecker auch im Gespräch mit den Bonner Zuhörern vor.

Für ihn ist die Forderung nach einer neuen Moral in der Wirtschaft vor allem auch eine pragmatisch-praktische: Schließlich gefährdeten kriminelle Machenschaften nicht nur den Ruf der Unternehmen, sondern auch deren Gewinn und möglicherweise sogar ihre Existenz.

Kein Prediger oder Philosoph hat dieses Buch geschrieben, sondern ein Journalist, der persönliche Glaubwürdigkeit ebenso für sich beanspruchen kann wie eine sympathisch-bodenständige Ausdrucksweise.

Hans Leyendecker: Die große Gier. Rowohlt Berlin, 299 S., 19,90 Euro.

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