Bundeskunsthalle Tierische Zeugen der Vergangenheit

BONN · Die Bundeskunsthalle hat einen neuen Ausstellungsraum. Das stimmt zwar nicht ganz, aber entspricht doch dem Gefühl, dass sich die Räumlichkeiten des Museums erweitert haben.

 Spannung im Raum: Installation von Petrit Halilaj in der Bundeskunsthalle.

Spannung im Raum: Installation von Petrit Halilaj in der Bundeskunsthalle.

Foto: Franz Fischer

Die sogenannte Ostgalerie, früher ein Nebensaal für die großen Publikumsausstellungen, darf jetzt ein Eigenleben führen. Überwiegend zeitgenössische Künstler sollen hier zu sehen sein. Kunsthallenchef Rein Wolfs gibt der jungen Kunst einen prominenteren Platz im Museumsgefüge. Mit Petrit Halilaj ist Wolfs und seiner Mit-Kuratorin Susanne Kleine auch gleich ein großartiger Auftakt für die Bespielung der neuen alten Räume geglückt.

Mit seinen 28 Jahren gehört Halilaj (das j im Namen wird wie ein i ausgesprochen) immer noch zu den ganz jungen Künstlern, ist aber gleichzeitig bereits so bekannt, dass er in die Kategorie offen gehandelter Geheimtipp fallen kann. In seinem Werk verbindet sich häufig die eigene Biografie mit geschichtlichen Realitäten zu einem universellen Bild, das zugleich persönlich berührend ist und allgemeingültige Fragen aufwirft. Halilaj hat in Mailand studiert und lebt heute in Berlin, aber geprägt hat ihn seine Kindheit im Kosovo mit dem leidvollen Krieg 1998/1999. Die Suche nach Identität, das Wachhalten von Erinnerungen und der Verlust der Heimat sind Themen, die ihn beschäftigen.

Dass Halilajs Installationen keine Rührseligkeit verbreiten, sondern wie in einer traurigen, aber schön erzählten Geschichte die Poesie der Dinge sichtbar machen, gehört zu den Stärken seiner Kunst. Für die aktuelle Ausstellung füllt Halilaj die Räume der Bundeskunsthalle mit der Atmosphäre eines verloren gegangenen Museums aus dem Kosovo. Die Geschichte des Verschwindens des Naturhistorischen Museums in Pristina beginnt um 2001, als die nach dem Krieg entstandene Republik Kosovo nach einer eigenen Identität sucht.

Das knapp 50 Jahre alte Naturkundemuseum mit rund 2000 Objekten, darunter eine große Zahl an präparierten einheimischen Tieren, passt nicht in das Bild, das die junge Republik von sich hat, und so werden die Exponate nach und nach in Kisten und Schränke verpackt und schließlich mit einer großen Wand vermauert. Petrit Halilaj erfährt per Zufall von der Existenz des Museums und fährt 2011 zum ersten Mal dorthin.

Schon damals lässt er einige Vitrinen, 18 Kästen mit präparierten Kleopatra-Schmetterlingen und zwei ausgestopfte Vögelchen mitgehen. Zwei Jahre später ist der Künstler erneut in Pri?tina und filmt den Moment, in dem die rund zehn Jahre alte Mauer eingerissen und das Museum wie ein finsterer Sarkophag geöffnet wird. Teilweise verrottete, mit Schimmelpilzen überzogene Tierpräparate, vermoderte Kisten und Schränke kommen zum Vorschein.

In der Bonner Ausstellung lässt Halilaj sowohl das Filmmaterial als auch ein Teil der originalen Museumseinrichtung und einige Tierpräparate als Zeugen der Vergangenheit auftreten. Weitere Tierskulpturen, vom Künstler aus Erde, Dung und Holzleim nachgebaut, sind im gesamten Raum verteilt und werden durch ein System aus Messingstangen formal miteinander verbunden.

Die Stimmung eines in die Jahre gekommenen Naturkundemuseums vermittelt sich sofort und wird zugleich mit neuen Eindrücken bereichert. In dem Gefüge aus Tiergestalten, modrigen Schränken und golden glänzendem Messing findet sich der Besucher sehr schnell als Teil eines unsichtbaren Netzes wieder, in dem jeder Schritt die Spannung im Raum verändert.

Kunst- und Ausstellungshalle Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4, bis 18. Oktober; Di-Mi 10-21, Do-So 10-19 Uhr. In der Ausstellung können Besucher täglich zwischen 12 und 17 Uhr einen anwesenden Kunstvermittler direkt ansprechen. Im Mai erscheint ein Katalog.

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