Kammerspiele Bad Godesberg Thorleifur Örn Arnarsson inszeniert Hebbels "Nibelungen"

Derzeit hat es Thorleifur Örn Arnarsson schwer, sich mit irgendetwas anderem zu beschäftigen als Theater. Nicht nur, weil er mitten in den Proben zu Friedrich Hebbels "Die Nibelungen" steckt, die am kommenden Samstag in den Kammerspielen Bad Godesberg Premiere feiern werden.

Nein, gleich 15 zukünftige Projekte jongliert der 35-jährige isländische Regisseur derzeit ebenfalls, Anrufe, E-Mails und SMS laufen im Minutentakt bei ihm ein. Doch Thor, wie er sich von allen nennen lässt, bleibt ruhig. Immerhin hat er es so gewollt. "Ich habe in der Politik und für Banken gearbeitet und weiß, dass ich da viel mehr Geld verdienen könnte als am Theater - aber ich bin ein Getriebener, im positiven Sinne."

Auch die "Nibelungen" haben ihn gepackt, ihn mit ihrer Komplexität und Tiefe gefesselt. "So etwas wie dieses Stück habe ich noch nicht erlebt", gesteht Thor. "Ich suche ja immer nach dem Kern der Stücke. Aber bei Hebbel ist es so, dass die Einblicke nur umso tiefer werden, je länger du probst. Und dann noch diese vielschichtige Sprache..." Vor allem Letzteres sei der Grund gewesen, warum er sich lange den urdeutschen Stoffen verweigert habe.

"Ich hatte Angst, die Sprachwolke nicht zu durchblicken", sagt der Isländer, der sein Regiestudium an der Berliner Hochschule Ernst Busch absolviert hat. "Aber dann kam aus Augsburg die Anfrage, ob ich nicht Wagners ,Lohengrin' inszenieren wollte. Natürlich wollte ich." Also habe er sich in die entsprechende Zeit eingelesen, und das heißt im Falle Arnarsson: alles von Kant bis Darwin erfassen, psychologische und philosophische, historisches und soziologische Aspekte.

Zu Hebbels "Nibelungen" war es da nur ein kleiner Schritt. "Deutschland tut sich ja schwer mit diesen Stoffen, weil sie im Nationalsozialismus so missbraucht wurden. Ich gehe da vielleicht etwas unschuldiger heran. Denn ich komme aus einem Land, das 800 Jahre lang durch Mythen und Sagen am Leben gehalten wurde", sagt Thor.

Ein normales, traditionelles Theater ist von dem Isländer aber nicht zu erwarten. "Ich habe mir den Ruf eines kreativen Chaoten erworben", erklärt Thor, "zudem bin ich zwar stück-, aber nicht texttreu." Sein Vorgehen: Ansätze, Möglichkeiten in den Raum werfen und schauen, was passiert.

"Ich habe keine Angst, bis zum letzten Tag an einem Stück zu feilen", sagt er. Gerne auch mit Hilfe seiner Mutter: Sie war früher Intendantin am Schauspielhaus Reykjavik und ist für Thor bis heute eine der wichtigsten Kritikerinnen. "Sie kennt mich und meinen Stil so gut, dass sie oft noch neue Perspektiven findet." Auch wenn dieser Stil nicht unbedingt der ihre ist.

"Ich habe mich aus Theatersicht von meinen Eltern abgesetzt, als ich ,Peer Gynt' in Luzern inszenierte", erinnert sich Thor. "Ich habe als Kind meinen Vater in genau diesem Stück unter der Regie meiner Mutter erlebt - und bin dann meinen eigenen Weg gegangen." Die Arbeit bringt Thor immer wieder ans Ende seiner Kräfte. "Am Anfang bin ich ja voller Ideen. Und dann leere ich mich immer mehr, damit die Schauspieler sich füllen können." Das zehrt.

"Es ist natürlich ein Geschenk für jeden Regisseur, wenn man sieht, wie ein tolles Ensemble wie hier in Bonn schließlich alles zusammenbringt. Aber vor einer Woche war ich trotzdem wieder völlig ausgelaugt. Da habe ich einen Freund angerufen und gesagt ,ich kann nicht mehr'. Der hat nur gelacht und gesagt, dass wir dieses Gespräch bei jeder Inszenierung führen würden. Und immer, wenn ich so verzweifelt sei, würde es nachher ein guter Abend."

Dem Premierenabend sieht er mit Freuden entgegen. Ebenso wie dem anschließenden Urlaub in Island, bei seiner Frau und seinen beiden Kindern. Um Kraft zu tanken für die nächste Suche nach dem Kern eines Stücks.

Premiere: Samstag, 18. Januar, 19 Uhr, Kammerspiele Bad Godesberg, Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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