Jazzszene in Bonn Thomas Scharfstädt hat einen Fotoband herausgegeben

BONN · Wilderich Freiherr Ostman von der Leye gehörte einfach dazu. Die stoische Art, seinen Bass zu zupfen, stets eine qualmende Zigarette zwischen den mürrisch wirkenden Mundwinkeln, war geradezu Kult. Der damalige SPD-Stadtrat und Bundestagsabgeordnete, der 1990 im Alter von 66 Jahren verstarb, verpasste kaum einen Dienstagabend, wenn der Swing in der Jazz Galerie den Ton angab.

 Aus dem Bildband "For old times' sake": Chet Baker in der Jazz Galerie.

Aus dem Bildband "For old times' sake": Chet Baker in der Jazz Galerie.

Foto: Thomas Scharfstädt

Donnerstags war die sogenannte Open Scene, und in jenen Jahren, als die Jazz Galerie noch wirklich ein Jazzschuppen war, da traf sich hier die Musikszene - professionelle wie Amateurmusiker und all jene, die Wert auf gute Musik legten. Das alles ist lange her - genau genommen war es die Phase vom 7. Januar 1977 bis zum 7. Januar 1984, als Stephan Roth den Jazzkeller führte.

Der Journalist Thomas Scharfstädt, damals Student und freiberuflicher Reporter, hat über viele Jahre hinweg regelmäßig in der Jazz Galerie und anderen Bonner Jazzlokalen fotografiert und eine Auswahl jetzt zu einem Bildband zusammengestellt. Der Titel passt: For old times? sake - Um der alten Zeiten willen.

Den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt Scharfstädt nicht. Dennoch werden Erinnerungen wach an legendäre Konzerte, die es auch im Casablanca, im Kulturforum (heute Pantheon) oder im Club Populaire an der Kasernenstraße gab. Champion Jack Dupree, Gil Scott-Heron, Pete York, Charlie Mariano, Jan Garbarek und viele andere waren regelmäßige Gäste in der damaligen Bundeshauptstadt.

Scharfstädt zeigt Bilder von vielen Sessions, aber auch des legendären Chet Baker, der Dr. Jazz Ambulanz, bei denen Roth selbst den Rhythmus angab, Semmel's Hot Shots, Chicago Footwarmers, des Bonner Flötisten Michael Heupel, von Wolfgang Zimmer und natürlich Konrad Beikircher, der seine Karriere in der Jazz Galerie startete.

"Das war ja meine persönliche Herdplatte, auf der mein Leben angefangen hat zu tanzen", formuliert es Beikircher auf seine ganz eigene Art. Beikircher, der bis 1977 als Diplom-Psychologe im Siegburger Jugendknast arbeitete, sah sich schon "mit 60 als Leitenden Regierungsbeamten komfortabel versauern". An jenen Donnerstagen trat er hin und wieder auf - mit dem Siegburger Gitarristen Sigi Kosche.

Dann kam das Kellnern dazu, und eines Tages fragte ihn Roth, ob er nicht mal ein abendfüllendes Programm entwickeln könnte. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Auch aus diesen Anfangszeiten von Konrad Beikircher sind eine ganze Reihe von Schwarz-Weiß-Fotos zu finden. "Ich kann nicht sagen, dass ich den Jazz gesucht hatte oder etwas von dieser Musik verstand", so Scharfstädt. "Es war vielmehr eher so, dass mich diese Musik fand - vermittelt durch das Objektiv meiner Kameras, einer kleinen 50er-Jahre-Contax oder meiner Contarex."

Info: For old times' sake - Erinnerungen an die Bonner Jazz-Szene der 1980er Jahre, Fotografien von Thomas Scharfstädt, mit einem Beitrag von Konrad Beikircher, 80 Seiten, 72 Euro, im Eigenverlag erschienen, Bestelladresse: http://blur.by/1bg4CK0

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