Tanz der Todesengel und der Kampf ums Gold

Wiener Bürgerschreck Gottfried Helnwein über seine Ausstattung für Johann Kresniks "Ring des Nibelungen", der am Sonntag Premiere im Bonner Theater hat

Tanz der Todesengel und der Kampf ums Gold
Foto: Beu

Bonn. In seinem Kosmos gibt es zum Beispiel den genialen Donald-Zeichner Carl Barks und den Horror-Freak Marilyn Manson, Bruder im Geiste und enger Freund.

Gottfried Helnwein öffnete Manson sogar für die Heirat mit dem Model Dita von Teese sein Schloss im irischen Tipperary, das er im Wechsel mit einem Anwesen in Los Angeles bewohnt. Und jetzt kommt Wagner. Doch nicht Richard war der eigentliche Anstoß, es war Hans: "Hans ist der wunderbarste Mensch." Seit bald 20 Jahren kennt und schätzt der Wiener Helnwein (58) den Grazer Johann (Hans) Kresnik (67).

1988 kam man in Helnweins damaligen Schloss im Eifelörtchen Burgbrohl zusammen. "Hans ist ein Besessener", sagt Helnwein über den Chef des Bonner Choreographischen Theaters, er habe wie alle überragenden Künstler eine Mission, "Kresnik ist ein großer Humanist, ein Charismatiker."

Gemeinsam brachten sie in Heidelberg und Berlin schaurig-schön "Macbeth" auf die Bühne. Helnweins Plakat mit dem toten Barschel in der Badewanne war schon eine Provokation, im Stück dann gab es grausig entstellte Hexen, Blut, Stiefel, Leder und einen mit chirurgischem Instrumentar malträtierten Macbeth.

In Hamburg schockten die beiden mit Bildern des gemeuchelten Pasolini. Stuttgart verstörte das Duo mit der aus dem Lot geratenen Bühne für Peter Weiss` "Verfolgung und Ermordung des Jean Paul Marat..." und wiederum einem heftigen Plakat: Lafontaines Kopf in der Blutlache, Titel: "Das Attentat".

Wenn jetzt Kresnik und Helnwein in Bonn Richard Wagners "Ring des Nibelungen" in Tanz- und Bildtheater umsetzen, steht erneut ein Helnwein-Plakat am Anfang: Wieder ein Kopf, der im Blut liegt, diesmal ein Kind in Uniform, buchstäblich erschlagen von einer Kaskade von Euro-Münzen. Die Botschaft ist klar und radikal: Die perverse Macht des Geldes als Triebfeder der Politik.

Und hier verbindet sich, so Helnwein, die politische Realität im Irak - Bilder von im Krieg getöteten Kindern bestimmen das Werk des Künstlers - mit dem Mythos in Wagners "Rheingold". Dunkel, schwarz und mystisch wird es in Kresniks "Ring" zugehen, "Rheingold" ist der erste Akt des choreographischen Stücks. Er ist den düsteren Mächten, dem Feuer, Protagonisten in Nazi-Uniform vorbehalten.

"Die Walküre" dann, bei Kresnik der zweite Akt, ist die krasse Gegenwelt: gleißend weiß, aseptisch die Bühne, bevölkert von Todesengeln, die die gefallenen Helden nach Walhall bringen, in ein nüchternes Krankenhaus.

"Wir zeigen nicht allein Rheingold und Walküre, sondern fügen Wagners Biografie hinzu", sagt Helnwein, "Figuren wie König Ludwig, Marx und Bakunin spielen eine Rolle, Wagners Kreativität, aber auch sein Antisemitismus und der Missbrauch seines Werks durch die Nazis."

Man habe die Geschichte "aus der Musik herausgeschält" (Kresniks Ring-Musik wurde von Gernot Schedelberger komponiert), will mit "Farben, Formen, Rhythmen" und mit Bildzitaten diesen Mythos über den Kampf um das Gold erzählen. "Der Zuschauer wird vieles auch rein sinnlich verstehen", sagt Helnwein über den drastischen Bilderreigen zum Thema "Raubtierkapitalismus". Details nennt er nicht.

Mit hyperrealistisch gemalten bandagierten Köpfen, schmerzverzerrten Gesichtern von Menschen, deren Physiognomie durch Narben und Gabel-ähnliche Wundhaken qualvoll entstellt erscheint, betrat Helnwein vor über 25 Jahren das Rampenlicht des Kunstmarktes. Auf Plakaten, Plattencover, Titelblättern begann eine Schocktherapie, die der Gesellschaft bis heute nur leicht verändert verordnet wird.

Es geht um "Heilung", wie er sagt, seine Darstellung von Gewalt sei kein Selbstzweck. Das unterscheide ihn von brutalen Baller-Spielen im Computer, die er scharf ablehnt. Und das verbindet ihn wiederum mit Kresnik. Beide untersuchen die Mechanismen der Gewalt, die Willkür der Mächtigen und Ohnmacht der Opfer.

Die Ästhetisierung des Brutalen oder die Brutalisierung der Ästhetik hat in Österreich eine gewisse Tradition, das sieht auch Helnwein so, um so stärker, je länger er seiner Heimat fern ist. "Ich habe Wien immer gehasst, bin dann weggegangen", sagt er, entdeckt aber eine "kulturelle Entität" von den kantigen Körpern Schieles bis zu Nitschs Blutorgien, von Jelineks Selbsthass bis zur ätzenden Kritik Bernhards.

Eine "kleine Gruppe von Aufrechten", zu denen er auch Kresnik und sich selbst zählt. Und die leistet Widerstand gegen die Angepassten, gegen "Pseudo-Neo-Dada" und "Post-Warhol-Spielerei".

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