Tänzer Emanuele Soavi mit "PANsolo" im Ballsaal

Sein plötzliches Erscheinen kann panischen Schrecken hervorrufen. Der Gott Pan ist Zerstörer und Erzeuger, Beschützer der Hirten und Jäger und halbtierischer triebhafter Bock. Als einsamen Außenseiter zeigt ihn der Tänzer Emanuele Soavi in seinem "PANsolo", das im Rahmen des Internationalen Bonner Tanzsolofestivals im Ballsaal voraufgeführt wurde.

Tänzer Emanuele Soavi mit "PANsolo" im Ballsaal
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Bonn. Sein plötzliches Erscheinen kann panischen Schrecken hervorrufen. Der Gott Pan ist Zerstörer und Erzeuger, Beschützer der Hirten und Jäger und halbtierischer triebhafter Bock. Als einsamen Außenseiter zeigt ihn der Tänzer Emanuele Soavi in seinem "PANsolo", das im Rahmen des Internationalen Bonner Tanzsolofestivals im Ballsaal voraufgeführt wurde.

Die einstündige Choreographie ist Teil eines Mythenprojektes des Kölner "movingtheatre.de", das sich der Gegenwärtigkeit mythologischer Figuren widmet. Pans Schreie hallen nach in der Stimme der Nymphe Echo, die sich seinem Zugriff entzog, wenn Soavi aus den Zuschauerreihen auf die Bühne springt.

Eine riesige phallische Bühnenskulptur beherrscht den Raum, den er suchend durchstreift. Ein munterer Satyr, dessen Bewegungen ab und zu die Tanz-Ikone "L'après-midi d'un faune" herbeizitieren. Doch die dunkle dämonische Seite Pans bricht sich Bahn. Er fürchtet sich vor den eigenen sexuellen Begierden und der eigensinnigen Kraft der Natur, flüchtet von der keuchenden Selbstbefriedigung in die verfluchten Abgründe der Selbstreflexion.

Er meckert wie seine Mutter, die von Hermes begattete ziegenleibige Nymphe Amalthea, spielt schelmisch den pastoralen Wald- und Wiesen-Genießer, der zum Gesang der arkadischen Zikaden bespringt, was ihm vors erregte Geschlecht gerät. Aus dem Bühnenhimmel fallen fleischfarbene Teile, die seinen Appetit wecken. Er klebt sie zusammen zu einer Gliederpuppe und versinkt sehnsüchtig in den künstlichen Umarmungen seines Geschöpfs, das er nach lustvollem Gebrauch wieder zerreißt.

Sein Körper windet sich, erfindet ästhetisch faszinierende, originelle Bewegungsformen für das wilde Denken in einem fragmentiert wahrgenommenen Universum, in dem die Selbstwahrnehmung sich auflöst. In die laute Klangspur von Stefan Bohme mischen sich leise knisternd das weiße Rauschen der medialen Reizüberflutung und Fetzen von Dialogen zur Albtraum-Macht der Sinnlichkeit im Zeitalter des Dekonstruktivismus.

Fell im Mund und an den Armen, animalisch zurückgeworfen aus dem heroischen Triumph der Rationalität kniet der schmale Mann mit Halbglatze am Ende vor dem verhüllten monströsen Denkmal des Un- und Urdings göttlich unschuldiger Zeugungsgier und des modernen erotisch funktionalen Überdrucks, der in einen zerstörerischen Überdruss mündet. Am Ende pappt sich Soavi eine Bocksmaske und Hörner an den Kopf. Der große Pan ist schauerlich lächerlich geworden, aber untergründig mit seiner wüsten Lebendigkeit immer noch präsent.

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